Leitsatz
Eine vom Grundstückserwerber übernommene und noch nicht entstandene Zahlungsverpflichtung des Grundstücksverkäufers, die dieser in einem städtebaulichen Vertrag gegenüber einer Gemeinde eingegangen ist, ist keine Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und damit nicht Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG) der Grunderwerbsteuer.
Normenkette
§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB
Sachverhalt
Mit Vertrag vom 31.3.2008 erwarb die Klägerin von T in der Stadt A im Bereich eines Bebauungsplans belegene Grundstücke; ferner trat die bezüglich der Kaufgrundstücke in alle Rechte und Pflichten aus einem von den Rechtsvorgängern der T – u.a. mit der A geschlossenen städtebaulichen Vertrag vom 30.4.2001 – ein und übernahm anstelle des Verkäufers den vom "Begünstigten einer Baurechtsbegründung" geschuldeten Folgekostenbeitrag von 30,68 EUR je Quadratmeter Wohnfläche. Der Folgelastenbeitrag war Zug um Zug gegen die Erteilung von Baugenehmigungen bzw. mit Eintritt der Rechtswirkungen von Genehmigungsfreistellungen nach der Bayerischen Bauordnung (BayBO) fällig. Er sollte die Aufwendungen der A für den zusätzlichen Bedarf an Kindergarten- und Hortplätzen decken, der durch die im Bebauungsplan geschaffene Bebauungsmöglichkeit ausgelöst wurde. Das FA berücksichtigte bei der Grunderwerbsteuerfestsetzung gegen die Klägerin als Bemessungsgrundlage neben dem Grundstückskaufpreis auch die der Klägerin von A gem. dem städtebaulichen Vertrag berechneten Folgekosten. Der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage gab das FG statt (FG München, Urteil vom 24.10.2012, 4 K 691/10, Haufe-Index 3710887, EFG 2013, 960).
Entscheidung
Die Revision des FA blieb erfolglos. Der von der Klägerin gezahlte Folgelastenbeitrag war, wie vorstehend näher erläutert, eine eigennützige Leistung, die keine Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks ist.
Hinweis
Nach § 11 BauGB sind die Gemeinden ausdrücklich zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags ermächtigt. Mit dem Abschluss eines solchen Vertrags kann eine Gemeinde u.a. vielfältige städtebauliche Ziele verfolgen und entstehende Aufwendungen auf den Vertragspartner abwälzen; möglich ist insbesondere die Vereinbarung eines vom Erwerber zu zahlenden Folgelastenbeitrags. Dies führt zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die von einem Grundstückserwerber im städtebaulichen Vertrag übernommenen Zahlungspflichten gegenüber der Gemeinde die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer erhöhen.
1. Bei einem Grundstückskaufvertrag gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen als Gegenleistung. Zur Bemessungsgrundlage gehören damit alle Leistungen des Erwerbers, die dieser als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt. Grundstückserwerb und Gegenleistung müssen kausal verknüpft sein. Nach diesen Grundsätzen ist auch über die Einbeziehung eines Folgelastenbeitrags in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer zu entscheiden.
2. Übernimmt – so im Streitfall – ein Erwerber die Verpflichtung zur Zahlung eines Folgelastenbeitrags, die der Verkäufer gegenüber einer Gemeinde in einem städtebaulichen Vertrag eingegangen war, so kann die Übernahme grundsätzlich eine sonstige Leistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sein. Dies setzt jedoch voraus, dass bereits in der Person des Verkäufers eine Zahlungsverpflichtung aus dem städtebaulichen Vertrag entstanden war. Der Zeitpunkt der Entstehung eines Folgelastenbeitrags ist gesetzlich nicht geregelt; er ergibt sich aus dem städtebaulichen Vertrag.
Der in einem städtebaulichen Vertrag vereinbarte Folgelastenbeitrag wird regelmäßig erst dann entstehen, wenn die Gemeinde ihre "Gegenleistung" (z.B. das durch einen rechtskräftigen Bebauungsplan geschaffene Baurecht) erbracht hat. War für den Erwerber die von ihm übernommene Zahlungsverpflichtung bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags noch nicht entstanden, so gehört die spätere Zahlung des Folgebeitrags nicht zur Gegenleistung. Bei dem Erwerber liegt in diesem Fall eine sog. eigennützige Erwerberleistung vor, die nur dem Erwerber selbst zugutekommt.
3. Davon abzugrenzen sind – von der Rechtsprechung bislang nicht behandelte – Fallgestaltungen, in denen ein Erwerber ein Grundstück von einer Gemeinde erwirbt und dieser gegenüber zugleich zur Zahlung eines Folgelastenbeitrags verpflichtet. Hier dürfte es bei einer kausalen Verknüpfung zwischen Grundstückserwerb und Folgelastenverpflichtung nahe liegen, den Folgelastenbeitrag bei der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer zu berücksichtigen.
4. In jedem Fall erweist sich jedenfalls die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung, wonach bei der Verknüpfung einer Folgelastenvereinbarung mit dem Erwerb eines Grundstücks die vom Erwerber übernommenen Folgekosten stets Bestandteil der Gegenleistung sind, als zu undifferenziert.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.6.2014 – II R 1...