Leitsatz
Die Altersversorgungsleistungen, die ein ehemaliger Bediensteter des Europäischen Patentamts von dem Reservefonds der Europäischen Patentorganisation bezieht, sind in voller Höhe als Versorgungsbezüge zu versteuern.
Normenkette
§ 19 Abs. 2, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG
Sachverhalt
Der Kläger war beim Europäischen Patentamt (EPA) als Beamter tätig, bevor er nach Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand getreten ist. Seither erhält er Altersversorgungsleistungen aus einem Reservefonds für Pensionen des EPA. Dieser Fonds bildet ein zweckgebundenes Sondervermögen, besitzt aber keine eigene Rechtsfähigkeit.
Der Kläger erklärte seine Altersbezüge als Renteneinkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, während das FA meinte, es handele sich um Altersbezüge gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Das FG teilte die Auffassung des FA und wies die Klage ab (FG München, Urteil vom 26.3.2015, 13 K 2758/11, Haufe-Index 7938403, EFG 2015, 1192).
Entscheidung
Die Revision des Klägers war aus den unter den Praxis-Hinweisen gegebenen Erläuterungen ebenfalls ohne Erfolg.
Hinweis
Die Qualifizierung der von internationalen Organisationen ihren ehemaligen Mitarbeitern gewährten Altersbezüge bereitet Schwierigkeiten: Sind es Versorgungsbezüge, die abzüglich des Versorgungsfreibetrags in voller Höhe der Besteuerung unterliegen, oder handelt es sich um Leibrenten, die gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG zu versteuern sind?
1. Nach der Rechtsprechung sowohl des VI. als auch des X. Senats des BFH liegen Einkünfte "aus früheren Dienstleistungen" nur vor, wenn sie dem Steuerpflichtigen aus eben diesem Rechtsgrund zufließen. Um Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit kann es sich daher nur handeln, wenn der Steuerpflichtige sie – abgesehen von der erbrachten Dienstleistung – ohne rechtlich ins Gewicht fallenden Eigenbeitrag erhält, also ohne eine Leistung aus seinem Vermögen oder für seine Rechnung (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 22.11.2006, X R 29/05, BStBl II 2007, 402, BFH/NV 2007, 574).
2. Wenn das maßgebende Dienstrecht vorsieht, dass vom Bruttogehalt ein Abzug für Zwecke der Altersvorsorge vorgenommen wird, unterscheidet die höchstrichterliche Rechtsprechung danach,
- ob ein bereits zugeflossener Gehaltsbestandteil vom Arbeitnehmer für Zwecke der Altersvorsorge eingesetzt wird, sodass es sich zugleich um zugeflossenen Arbeitslohn und um einen Eigenbeitrag des Arbeitnehmers zu seiner Altersvorsorge handelt, oder
- ob der einbehaltene Gehaltsanteil erst im Versorgungsfall als nachträglicher Arbeitslohn in Form eines Ruhegeldes ausgezahlt wird, was noch nicht während der aktiven Dienstzeit, sondern erst in der Versorgungsphase zum Zufluss von Arbeitslohn führt.
3. Interne Maßnahmen des Arbeitgebers, die dieser trifft, um den Versorgungsanspruch des Arbeitnehmers abzusichern, bewirken noch keinen Zufluss von Arbeitslohn im Umfang der vom Arbeitgeber für die Altersversorgung zurückgelegten Mittel während der aktiven Dienstzeit. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber innerhalb seines Vermögens Mittel für die Altersversorgung seiner Arbeitnehmer zweckbindet und separiert.
4. Anders stellt es sich dann dar, wenn der Arbeitgeber mit seinen Leistungen dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen einen Dritten – z.B. Versicherungsschutz – verschafft (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 29.7.2010, VI R 39/09, BFH/NV 2010, 2296).
5. Ebenso wie bei den seit 1974 geschaffenen Versorgungssystemen
- der NATO (BFH, Urteil vom 22.11.2006, X R 29/05, BStBl II 2007, 402, BFH/NV 2007, 574),
- der OECD (BFH, Urteil vom 7.2.1990, X R 36/86, BStBl II 1990, 1062) und
- der Europäischen Weltraumorganisation – ESA (BFH, Beschluss vom 22.7.2015, X B 172/14, BFH/NV 2015, 1390)
ist auch bei dem Europäischen Patentamt das für die Altersversorgung der Bediensteten vorgesehene Kapital rechtlich im Vermögen der jeweiligen Organisation geblieben. Der gesonderte Ausweis im Haushaltsplan ist rechtlich unerheblich.
6. Die Steuerpflicht erstreckt sich auf alle Bestandteile der Altersbezüge (Grundpension, Haushalts- und Kinderzulage sowie Steueranpassung). Die Steueranpassung kann nicht mit einer nicht steuerbaren Steuererstattung verglichen werden. Sie ist eine originäre Leistung des Arbeitgebers, die von diesem mit Rücksicht auf die von dem inländischen FA erhobene Steuer erbracht wird.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.2.2017 – X R 24/15