Leitsatz
Bei der Jahresgrenzbetragsberechnung nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG können Unterhaltsleistungen des verheirateten Kindes an dessen Ehegatten nicht, solche an dessen eigenes Kind im Grundsatz allenfalls in hälftiger Höhe Einkünfte mindernd berücksichtigt werden.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 S. 2, Abs. 6, § 33a Abs. 1 S. 1 EStG, § 1360, § 1360a, § 1606 Abs. 3, § 1608 S. 1, § 1612 Abs. 2 BGB
Sachverhalt
Die miteinander verheirateten Kläger unterstützten ihren 1980 geborenen studierenden Sohn während des Streitjahrs 2004 mit monatlich 650 EUR. Der verheiratete Sohn erzielte Einkünfte i.H.v. 12 326 EUR und leistete 1 758 EUR Sozialversicherungsbeiträge. Für sein 2003 geborenes Kind, den Enkel der Kläger, bezog er Kindergeld. Seine Ehefrau hatte keine eigenen Einkünfte.
Das FA gewährte wegen der Einkünfte und Bezüge des Sohnes weder die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG noch den Ausbildungsfreibetrag und lehnte auch den Abzug der Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a Abs. 1 EStG ab.
Das FG gab der Klage statt und gewährte die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG (FG Münster, Urteil vom 29.04.2008, 6 K 3889/05 E, Haufe-Index 2018593, EFG 2008, 1809). Den Jahresgrenzbetrag sah es nicht als überschritten an, da es die Einkünfte des Sohnes nicht nur um die Sozialversicherungsbeiträge minderte, sondern auch um dessen Unterhaltsleistungen an sein eigenes Kind (= den Enkel der Kläger). Diese Unterhaltsleistungen berücksichtigte das FG mit 3 960 EUR; also der Differenz aus dem Kinder-Existenzminimum (5 808 EUR) und dem vom Sohn für den Enkel bezogenen Kindergeld (1 848 EUR). Der von der DA-FamEStG vorgesehene lediglich hälftige Abzug des Kindesunterhalts scheide wegen der Einkunftslosigkeit der Ehefrau des Sohnes aus.
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang ist zu prüfen, ob Unterhaltsleistungen der Kläger nach § 33a Abs. 1 S. 1 EStG abgezogen werden können. Insoweit kann auch der Enkel zu berücksichtigen sein, dem die Kläger gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet sind. Nach der geänderten Rechtsprechung des BFH zu § 33a EStG ist die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers konkret zu bestimmen.
Hinweis
1. Die Eltern eines verheirateten Kindes haben für dieses nur in sog. Mangelfällen einen Anspruch auf Kindergeld oder die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG. D. h. die Einkünfte und Bezüge des Kindes dürfen einschließlich der vom Ehepartner erhaltenen Unterhaltsleistungen den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG nicht überschreiten (BFH, Urteil vom 19.04.2007, III R 65/06, BFH/NV 2007, 1753, BFH/PR 2007, 385). Eigene Unterhaltsleistungen des Kindes an seinen Ehegatten sind dabei nicht Einkünfte mindernd zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 07.04.2011, III R 72/07, BFH/NV 2011, 1754, BFH/PR 2011, 416).
2. Falls das Kind selbst ein Kind hat, zieht die Verwaltung Unterhaltsleistungen ab, die sie mit der Differenz aus dem Kinder-Existenzminimum (Freibetrag gem. § 32 Abs. 6 S. 1 EStG) und dem Kindergeld ansetzt (Abschn. 63.4.3.4 DA-FamEStG, BStBl I 2009, 1033). Dabei geht sie davon aus, dass dieser Betrag wegen der Unterhaltspflicht des anderen Elternteils i.d.R. nur zur Hälfte abgezogen werden könne.
3.Nach dem System des Familienleistungsausgleichs soll jedes Kind grundsätzlich nur einmal berücksichtigt werden, und zwar bei seinen Eltern. Diesem Grundsatz widerspricht nicht nur ein Abzug von Unterhaltsleistungen des verheirateten Kindes an dessen Ehegatten im Rahmen der Grenzbetragsberechnung, sondern auch ein Abzug von Unterhaltsleistungen des Kindes an dessen Kind. Anderenfalls würde das Existenzminimum eines Enkels nicht nur bei seinen Eltern, sondern zusätzlich mittelbar auch noch bei den Großeltern freigestellt werden.
4. Diese klare Aussage hat der BFH allerdings nicht getroffen, sondern sich damit begnügt, auf die Zweifelhaftigkeit der großzügigen Verwaltungsauffassung hinzuweisen. Bei einem Elternteil kann aber auch dann nur die Hälfte der typisierten Unterhaltsleistungen abgezogen werden, wenn der andere Elternteil keine Einkünfte oder Bezüge erzielt, weil dessen Naturalunterhalt dem Geldunterhalt gleichwertig ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 04.08.2011 – III R 48/08