Leitsatz
Ein einstweiliger Rechtsschutz hinsichtlich der Genehmigung der Ist-Besteuerung kommt nur im Wege der einstweiligen Anordnung in Betracht.
Sachverhalt
Der Antragsteller war in den Streitjahren als Rechtsanwalt einzelunternehmerisch tätig. In seiner Umsatzsteuererklärungen 2010 und 2011 erklärte er nur geringe Umsätze. Der Antragsgegner stimmte den Steuererklärungen zu. In 2013 wies das Finanzamt den Antragsteller darauf hin, dass ihm drei Rechnungen des Antragstellers aus dem Jahr 2011 vorlägen, aus denen sich ein erheblich höherer Umsatz als erklärt ergebe. Es handele sich um eine Rechnung über insgesamt 662.000 Euro. Einen Antrag auf Ist-Besteuerung nach § 20 UStG habe der Antragsteller nicht gestellt, die den Rechnungen zugrunde liegenden Leistungen seien in 2011 erbracht worden, von daher sei eine Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2011 beabsichtigt.
Der Antragsteller teilte hierauf mit, er habe nach seiner Erinnerung anlässlich der Anzeige der Betriebsaufnahme einen Antrag auf Ist-Versteuerung gestellt. Vorsorglich fügte er dem Schreiben einen Istversteuerungsantrag bei. Mit Bescheid vom 03.09.2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ab. Zur Begründung führte er aus, die Besteuerung sei im Falle der Ist-Versteuerung gefährdet, und die Voraussetzungen des § 20 Nr. 1 UStG lägen nicht vor. Es setzte hierauf die Umsatzsteuer 2011 neu fest. Der Antragsteller legte Einspruch gegen die Ablehnung des Ist-Versteuerungsantrags sowie gegen die Umsatzsteuerbescheide ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führte er aus, die Ablehnung des Antrags auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten sei rechtswidrig, eine Steuer in Bezug auf die streitigen Ausgangsrechnungen sei unabhängig davon überhaupt nicht entstanden, und der Vorsteuerabzug aus den Rechts- und Beratungskosten sei zu gewähren. Auf einen Hinweis des Gerichts stellte der Antragsteller den Antrag um und beantragte nunmehr, eine auf Prüfung der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides über die Ablehnung der Gestattung der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten gerichtete einstweilige Anordnung zu erlassen, hilfsweise, die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2011 auszusetzen.
Entscheidung
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde als unbegründet abgewiesen. Nach § 114 FGO sei Voraussetzung einer einstweiligen Anordnung das Bestehen eines Anordnungsgrundes, also im Fall der Sicherungsanordnung nach § 114 Abs. 1 S. 1 FGO, dass die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, und im hier vorliegenden Fall der Regelungsanordnung nach § 114 Abs. 1 S. 2 FGO, dass die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Ein solcher Anordnungsgrund sei vom Antragsteller nicht dargelegt worden.
Da der Hauptantrag zurückgewiesen wurde, sei aber über den Hilfsantrag zu entscheiden. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO sei insoweit unzulässig, als er sich mittelbar gegen die Ablehnung der Gestattung der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten richtet; dieses Begehren kann nur im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter den Voraussetzungen des § 114 FGO verfolgt werden. Nach § 20 S. 1 UStG kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer, dessen Gesamtumsatz (§ 19 Abs. UStG) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 500.000 Euro betragen hat, oder der von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 AO befreit ist, oder soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführt, die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 S. 1 UStG), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet. Die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ist demnach nicht nur antragsgebunden, sondern darüber hinaus auch genehmigungsbedürftig. Die Ablehnung der Genehmigung nach § 20 UStG ist in der Hauptsache mit der Verpflichtungsklage anzugreifen; eine Anfechtungsklage mit dem Ziel der Beseitigung des Ablehnungsbescheides allein würde dem Rechtsschutzziel des Steuerpflichtigen, die Genehmigung der Ist-Versteuerung zu erstreiten, nicht entsprechen. Einstweiliger Rechtsschutz ist aber in dem Fall, dass in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage statthaft ist, regelmäßig durch einstweilige Anordnung und nicht durch Aussetzung der Vollziehung zu erlangen. Dem Hilfsantrag auf Aussetzung der Vollziehung sei hingegen teilweise stattzugeben, da die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung 2011 zweifelhaft sei.
Hinweis
Die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg beleuchtet das in der Praxis durchaus diffizile Verhältnis von Antrag auf Aussetzu...