Ortsvermutungen nach Art. 24a/24b MwStSystRL-DVO
Ebenso, wie eine elektronische Dienstleistung ihrer Art nach von jedem Ort aus erbracht werden kann, kann sie auch von den verschiedensten Orten aus konsumiert werden. Die Bestimmung des Wohnsitzes des Empfängers kann daher in vielen Fällen auf praktische Umsetzungsschwierigkeiten stoßen, da aus der Internet Protocol-Adresse (IP-Adresse) nicht zwingend auf den Wohnsitz geschlossen werden kann, da insbesondere bei Nutzung von VPN scheinbar der physische Standort geändert wird. Art. 24a und 24b MwStSystRL-DVO sehen vor diesem Hintergrund Vereinfachungen vor. Wenn der Unternehmer seine Leistung z. B. an Orten wie einem Internet-Café, einem Restaurant oder einer Hotellobby erbringt, und der Empfänger zum Konsum der Leistung zwingend dort vor Ort sein muss, wird vermutet, dass der Empfänger an diesen Orten ansässig ist. In diesen Fällen hat der Unternehmer seine Leistung z. B. am Ort des Internet-Cafés zu versteuern, dessen Ortsermittlung ihm durch Ermittlung der IP-Adressen einfacher fallen dürfte.
Gleichermaßen finden Vermutungsregelungen Anwendung, wenn der Unternehmer seine Leistung z. B. über einen Festnetzanschluss oder ein Mobilfunknetz erbringt. In diesen Fällen wird vermutet, dass der Empfänger in dem Land ansässig ist, in dem sich der Festnetzanschluss befindet bzw. dessen Ländercode die bei Inanspruchnahme der Leistung verwendete SIM-Karte ausweist.
Vereinfachungsregelung
Urlauber U aus Deutschland lädt während seines Ferienaufenthalts in Spanien über das Mobilfunknetz einen Film von Amazon Prime Video herunter. Seine SIM-Karte weist einen deutschen Ländercode aus.
Es handelt sich um eine elektronisch erbrachte Dienstleistung an eine Privatperson. Trotz des tatsächlichen Downloads der Leistung in Spanien wird aufgrund des deutschen Ländercodes der SIM-Karte die Ansässigkeit des U in Deutschland vermutet. Die elektronisch erbrachte Dienstleistung ist daher in Deutschland zu versteuern. Die Ermittlung der Ansässigkeit anhand des Ländercodes der SIM-Karte stellt eine erhebliche Vereinfachung für den Unternehmer dar.
Widerlegbarkeit der Ortsvermutungen
Zuletzt besteht zugunsten des leistenden Unternehmers die Möglichkeit, die Ortsvermutungen nach Art. 24a/24b MwStSystRL-DVO zu widerlegen. Hierzu ist es erforderlich, dass er im Besitz von drei, einander nicht widersprechenden Beweismitteln ist, die für die Ansässigkeit des Leistungsempfängers in einem anderen Mitgliedstaat sprechen, so z. B. die mitgeteilte Rechnungsanschrift, die IP-Adresse des verwendeten Endgeräts oder das zur Zahlung verwendete Bankkonto. Dieses Vorgehen kann hilfreich sein, um eine Registrierung in einem weiteren Mitgliedstaat zu vermeiden.
Wenn es Hinweise auf falsche Anwendung oder Missbrauch durch den Leistungserbringer gibt, besteht nach Art. 24d Abs. 2 MwStSystRL-DVO auch für die Verwaltung die Möglichkeit die Vermutungsregel zu widerlegen.