Leitsatz
Der Abschluss einer energetischen Maßnahme im Sinne des § 35c des Einkommensteuergesetzes liegt nicht bereits mit deren Fertigstellung, sondern erst mit der vollständigen Zahlung des Rechnungsbetrags auf das Konto des Erbringers der Leistung vor.
Normenkette
§ 35c, § 11 Abs. 2, § 35a EStG
Sachverhalt
Das klagende Ehepaar hatte die Heizung des von ihnen bewohnten Einfamilienhauses im Jahr 2021 durch den Einbau eines neuen Gasbrennwertheizkessels modernisiert. Die Kosten für die Lieferung und die Montage des Kessels beliefen sich auf über 8.000 EUR. In der Rechnung waren auch Kosten für Monteurstunden und Fachhelferstunden enthalten. Seit März 2021 zahlten die Kläger gleichbleibende monatliche Raten i. H. v. 200 EUR auf den Rechnungsbetrag. Im Jahr 2021 wurden 2.000 EUR bezahlt. Das FA lehnte für das Jahr 2021 die von den Klägern beantragte Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen nach § 35c EStG ab. Erst mit Begleichung der letzten Rate komme diese in Betracht.
Das FG schloss sich dieser Auffassung an (FG München, Urteil vom 8.12.2023, 8 K 1534/23, Haufe-Index 16228019, EFG 2024, 653).
Erstmals im Revisionsverfahren stellten die Kläger (hilfsweise) einen Antrag auf Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG.
Entscheidung
Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Der Senat konnte nicht abschließend entscheiden, ob und in welcher Höhe den Klägern die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG zusteht. Das FG wird feststellen müssen, in welcher Höhe Arbeitskosten tatsächlich angefallen sind.
Hinweis
Es handelt sich um die erste höchstrichterliche Entscheidung zu der relativ neuen Norm des § 35c EStG. Diese Norm wurde erst durch das Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht vom 21.12.2019 (BGBl I 2019, 2886) eingeführt.
1. Für energetische Maßnahmen an einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum belegenen, zu eigenen Wohnzwecken genutzten eigenen Gebäude (begünstigtes Objekt) ermäßigt sich gemäß § 35c Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG auf Antrag die tarifliche ESt, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, im Kalenderjahr des Abschlusses der energetischen Maßnahme und im nächsten Kalenderjahr um je 7 % der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um je 14.000 EUR und im übernächsten Kalenderjahr um 6 % der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 12.000 EUR.
2. Im Streitfall ging es allein um die Frage, was unter dem Abschluss der energetischen Maßnahme zu verstehen ist und ob es in diesem Zusammenhang auf die (vollständige) Zahlung des Rechnungsbetrags ankommt. Die Kläger hatten – was in der Praxis selten vorkommen dürfte – mit dem Handwerksunternehmen eine monatliche Ratenzahlung vereinbart und demzufolge im Streitjahr nur einen Teilbetrag gezahlt.
3. Der BFH hat entschieden, dass die Steuerermäßigung erst dann gewährt werden kann, wenn die Montage vorgenommen und auch der Rechnungsbetrag vollständig auf das Konto des Fachunternehmens bezahlt wurde. Er beruft sich auf § 35c Abs. 4 Nr. 2 EStG, wonach die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt sein muss. Die Gesetzesbegründung stützt diese Ansicht. Danach ist die förderungsfähige Einzelmaßnahme abgeschlossen, wenn der Leistungserbringer eine Rechnung erstellt und der Steuerpflichtige die Leistung unbar beglichen hat (vgl. BT-Drucks. 19/14338, 23). Der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung kann der vollständigen Zahlung nicht gleichgestellt werden. Eine solche Vereinbarung ist auch nicht mit einem Bankkredit vergleichbar. Denn im Fall eines Bankkredits stand dem Steuerpflichtigen der Betrag zur Verfügung und die Überweisung auf das Konto des Fachunternehmens hat ihn wirtschaftlich belastet. Angesichts der zeitlichen Befristung der Steuerbegünstigung (bis 1.1.2030 nach § 52 Abs. 35a Satz 1 EStG) kann den Steuerpflichtigen nur geraten werden, im Falle einer Ratenzahlungsvereinbarung die Zahlungen bis zum Stichtag vollständig zu erbringen.
4. Der BFH hat sich nicht abschließend dazu geäußert, ob und ggf. in welchem Umfang eine Restzahlung unschädlich sein kann (vgl. Urban, in Bordewin/Brandt, § 35c EStG Rz 232) und ob hierfür ein sachlicher Grund (z. B. vereinbarter oder gesetzlich vorgeschriebener Sicherheits- bzw. Gewährleistungseinbehalt) vorliegen muss.
5. Nachdem die Kläger durch Gerichtsbescheid erfahren hatten, dass eine Steuerermäßigung nach § 35c EStG nicht in Betracht kommt, stellten sie im Revisionsverfahren hilfsweise einen Antrag auf Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG. Dies war möglich, weil der Antrag bis zur Bestandskraft des entsprechenden ESt-Bescheids gestellt werden kann.
Die Förderung nach § 35a Abs. 3 EStG ist allerdings geringer, weil nur die Arbeitskosten und nicht auch die Materialkosten begünstigt sind. Eine zusätzliche Förderung auf der Grundlage des § 35c EStG ist, auch für die Folgejahre, ausgeschlossen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.8.2024 – IX R 31/23