Leitsatz
Erhält ein Eigentümer für die Inanspruchnahme seines Grundstücks im Zug der Errichtung einer baulichen Anlage auf dem Nachbargrundstück ein Entgelt, so muss er dieses nach § 21 Abs. 1 EStG versteuern.
Normenkette
§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG , § 22 Nr. 3 EStG
Sachverhalt
Die Eigentümerin erhielt für die Inanspruchnahme ihres Grundstücks anlässlich der Bebauung des Nachbargrundstücks (Lagerung von Aushub sowie Nutzung als Arbeitsraum) u.a. eine Ausgleichszahlung. Weil sich die ebenfalls vertraglich vereinbarte Wiederherstellung der Geländeoberfläche nach Ende der Baumaßnahme zeitlich verzögert hatte, machte sie des Weiteren einen Anspruch auf Entschädigung für die entgangene Nutzung ihres am Haus gelegenen Gartengeländes geltend. Daraufhin kam es zu einem Vergleich mit dem Nachbarn über eine entsprechende Zahlung für die Inanspruchnahme des Grundstücks.
Das FA erfasste die Zahlungen abzüglich (unstreitiger) Aufwendungen für Anwälte, Fahrten, Porti und Telefon als Einkünfte aus Leistungen i.S.v. § 22 Nr. 3 EStG. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Daraufhin hat die Grundstückseigentümerin Revision eingelegt.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH hat die Grundstückseigentümerin zu Unrecht geltend gemacht, das vereinbarte Entgelt habe lediglich den merkantilen Minderwert ihres Grundstücks entschädigen sollen. Schon nach dem Wortlaut der Vereinbarungen sei die Zahlung zum "weiteren Ausgleich für die weitere Inanspruchnahme des Grundstücks" erfolgt, lediglich weitergehende – hier nicht geltend gemachte – Schadenersatzforderungen seien "nicht ausgeschlossen" worden.
Auch die nachbarrechtliche öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Hinnahme der vorübergehenden baubedingten Inanspruchnahme des Grundstücks hindere nicht, eine Gebrauchsüberlassung gegen Entgelt anzunehmen. Dies gelte umso mehr, als sich die beiden Nachbarn vertraglich durch Vergleich über die Zahlung des Entgelts als Gegenleistung für die Überlassung des Grundstücks geeinigt hätten.
Infolgedessen könne dahinstehen, ob die Klägerin kraft Gesetzes berechtigt gewesen wäre, eine Entschädigung dafür zu verlangen, dass sie ihren Garten teilweise und zeitweise nicht habe nutzen können.
Hinweis
Zu den Einkünften gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören solche aus der Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens. Derartige Einkünfte erzielt, wer einem anderen zeitlich begrenzt unbewegliches Vermögen gegen Entgelt zum Gebrauch oder zur Nutzung überlässt.
Diese Voraussetzungen liegen auch vor, wenn – wie im Streitfall – vom Eigentümer gestattet wird, sein Grundstück zur Durchführung einer Baumaßnahme auf dem Nachbargrundstück in Anspruch zu nehmen (Verankerungen und sonstige Sicherungsmaßnahmen). Denn eine solche unmittelbare Inanspruchnahme des Grundstücks gegen Entgelt entspricht einer mit der Vermietung vergleichbaren Nutzungsüberlassung. Sie unterscheidet sich wesentlich von einem Verhalten, dass sich im Wesentlichen auf die Hinnahme eines bestimmten Zustands des Nachbargrundstücks beschränkt und als bloßes "Dulden" gem. § 22 Nr. 3 EStG der Besteuerung unterliegt.
Folge dieser Zuordnung zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist, dass – anders als für die Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG – ein uneingeschränkter Verlustausgleich nach § 10d EStG möglich ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 02.03.2004, IX R 43/03BFH, Urteil vom 2.3.2004, IX 43/03