Leitsatz
Ist der Steuerpflichtige als Grundstückseigentümer Inhaber eines dinglichen Rechts an einem Nachbargrundstück, dessen Bebaubarkeit dadurch eingeschränkt wird, und verzichtet er gegen Entgelt endgültig auf dieses Recht, so gehört das Entgelt nicht zu den Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG.
Normenkette
§ 22 Nr. 3 EStG
Sachverhalt
A und B sind Grundstücksnachbarn. Zu Gunsten des Eigentümers des Grundstücks A bestand an dem Grundstück B eine Grunddienstbarkeit. Es handelte sich um ein (noch vor In-Kraft-Treten des BGB am 1.1.1900 begründetes) sog. Lichtrecht. Danach durfte auf dem Grundstück B nicht über eine bestimmte Höhe hinaus gebaut werden.
Als B auf seinem Grundstück höher bauen wollte, widersprach dem A unter Hinweis auf sein Lichtrecht. Schließlich einigten sich A und B dahin, dass A sich gegen Zahlung von 200000 DM verpflichtete, keine Einwendungen gegen das Bauvorhaben des B zu erheben und auf dem Bauvorhaben entgegenstehende zivilrechtliche Ansprüche zu verzichten.
Das FA erfasste den Betrag von 200 000 DM als sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG.
Entscheidung
Der BFH widersprach dem FA. Eine sonstige Leistung i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG sei jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein könne und das um des Entgelts willen erbracht werde. Ausgenommen davon seien aber Veräußerungsvorgänge oder veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz endgültig aufgegeben werde.
Ob eine Zahlung als Entgelt für eine sonstige Leistung oder nicht steuerbar für die endgültige Aufgabe eines Vermögenswerts in seiner Substanz zu qualifizieren sei, richte sich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Leistungen. Verzichte ein Grundstückseigentümer gegen Entgelt endgültig auf sein die Bebaubarkeit des Nachbargrundstücks einschränkendes dingliches Recht, handele es sich um die Aufgabe einer vermögenswerten Rechtsposition in Gestalt eines selbstständigen Wirtschaftsguts und damit um eine nicht steuerbare private Vermögensumschichtung. Der Verzicht des A auf sein die Bauhöhe auf dem Grundstück B begrenzendes Recht gegen Entgelt stelle sonach einen veräußerungsähnlichen Vorgang dar.
Hinweis
Der BFH nimmt in Fällen, in denen sich der Steuerpflichtige gegen Entgelt verpflichtet, sein eigenes Grundstück in bestimmter Weise zu nutzen, eine bestimmte Nutzung des Nachbargrundstücks zu dulden oder Widerstand gegen ein Bauvorhaben des Nachbarn aufzugeben, Einkünfte aus sonstigen Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG an (z.B. BFH, Urteil vom 26.2.1982, VIII R 83/79, BStBl II 1983, 404).
Anders ist es jedoch, wenn ein eigenständiger Vermögenswert endgültig aufgegeben wird. Dann liegt eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung vor. Entscheidend ist somit die Endgültigkeit des Rechtsverzichts. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann von einem mit einer Veräußerung vergleichbaren Substanzverlust gesprochen werden.
Bei entsprechenden Vereinbarungen ist deshalb im geeigneten Fall darauf zu achten, ob die Aufgabe der Rechtsposition des Steuerpflichtigen endgültig erklärt wird. Der Vorbehalt einer eventuellen Abänderung oder Aufhebung steht der Annahme eines endgültigen Substanzverlusts entgegen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.12.2000, IX R 96/97