Leitsatz
1. Ob das wirtschaftliche Eigentum an GmbH-Anteilen dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen ist, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht und daher wegen § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend.
2. Ist der Vorbehaltsnießbraucher nicht wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile, ist die Ablösung des Nießbrauchs ein für ihn nicht steuerbarer Vorgang.
Normenkette
§ 17 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 3, § 24 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung der entgeltlichen Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs an Geschäftsanteilen an einer GmbH bei der Nießbrauchsberechtigten.
Die Klägerin übertrug im Jahr 2012 mit notariellem Vertrag ihre Beteiligung an einer GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Vorbehalt eines Nießbrauchs, der insbesondere das Gewinnbezugsrecht umfasste, unentgeltlich auf ihren Sohn. Im Jahr 2018 vereinbarten die Klägerin und ihr Sohn im Rahmen der Veräußerung der Geschäftsanteile die Aufhebung des Nießbrauchs an den Anteilen an der GmbH gegen Zahlung einer Ablösesumme. Das FA erfasste den Ablösebetrag im ESt-Bescheid der Klägerin für das Streitjahr 2018 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. v. § 17 EStG i. V. m. § 24 EStG. Nach mehrfachen Änderungen des ESt-Bescheids hatte der Einspruch keinen Erfolg.
Soweit die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hatte, dass die Zahlung des Ablösebetrags eine nicht steuerbare Umschichtung auf der privaten Vermögensebene darstelle, hatte die Klage keinen Erfolg. Das FG stellte fest, dass der Sohn im Jahr 2012 auch wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Geschäftsanteile geworden sei. Es gab dem hilfsweisen Begehren der Klägerin statt, mit dem sie eine Berücksichtigung des Ablösebetrags bei den Einkünften aus Kapitalvermögen begehrt hatte (FG Nürnberg, Urteil vom 29.9.2023, 7 K 1029/21, Haufe-Index 16229458, EFG 2024, 902).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf die Revision der Klägerin auf und gab ihrer Klage statt.
Hinweis
In der Praxis kommen Nießbrauchsgestaltungen an GmbH-Anteilen relativ häufig vor. Will der Gesellschafter, dessen Anteil mit einem Nießbrauch belastet ist, diesen Anteil veräußern, ist dem Erwerber oftmals daran gelegen, einen unbelasteten Anteil zu erwerben. Im Streitfall ging es darum, wie die in diesem Fall gezahlte Ablösesumme an die nießbrauchsbegünstigte Mutter (Klägerin) steuerlich zu berücksichtigen ist.
1. Ausgangspunkt der steuerlichen Beurteilung ist die Frage, wem das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen nach der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums auf den Sohn der Klägerin im Jahr 2012 zuzurechnen ist.
Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über, wenn er aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind. Erforderlich ist, dass der Nießbrauchsberechtigte eine Rechtsposition innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und ihn insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt.
Ob das wirtschaftliche Eigentum an GmbH-Geschäftsanteilen nach diesen Grundsätzen dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen ist, ist eine Tatfrage. Diese Feststellung ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung durch das FG und für den BFH grundsätzlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Im Streitfall war das FG auf der Grundlage seiner Feststellungen und unter Würdigung des Gesamtbilds der tatsächlichen Verhältnisse zu dem Ergebnis gelangt, das wirtschaftliche Eigentum sei bereits 2012 anlässlich der Anteilsübertragung unter Vorbehaltsnießbrauch von der Klägerin auf ihren Sohn übergegangen. Daran war der Senat gebunden, weil kein Verstoß gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorlag.
2. Ausgehend von dem fehlenden wirtschaftlichen Eigentum der Klägerin ist die Ablösung des Nießbrauchs ein nicht steuerbarer Vorgang.
Der Ablösebetrag ist der Klägerin mithin nicht als Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zuzurechnen. Auch einem anderen Besteuerungstatbestand kann der Ablösebetrag für die Aufgabe des Nießbrauchsrechts nicht zugewiesen werden. Er gehört nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, weil eine Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nur vorliegt, wenn der Erwerber vom Veräußerer zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den übertragenen Anteilen erlangt. Es handelt sich auch nicht um Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit nach § 17 i. V. m. § 24 EStG.
Die Vereinnahmung des Ablösebetrags be...