Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Der entgeltliche Verzicht eines Unternehmers auf eine nicht mehr entziehbare öffentlich-rechtliche Nutzungsbefugnis (hier zur Errichtung einer Sonderabfalldeponie) stellt eine sonstige Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG dar.
Sachverhalt
Der Kläger plante, eine Sondermülldeponie zu errichten. Dazu wurde eine ehemalige Tongrube gepachtet und die Genehmigung zum Betrieb beantragt. Gegen den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung erhob die betroffene Stadt Verwaltungsklage, die endgültig vom Oberverwaltungsgericht abgelehnt wurde. Zeitgleich mit weiteren Rechtsstreitigkeiten - wegen zwischenzeitlich eingetretener verschärfter abfallrechtlicher Vorschriften - wurden Gespräche zwischen der Klägerin und der Landesregierung über den Verzicht auf die Durchführung der Maßnahme geführt. In einem Vertrag verzichtete die Klägerin gegen 2 Mio. DM als Entschädigung für alle im Zusammenhang mit dem Verfahren entstandener Kosten auf die Durchführung des Vorhabens und auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche.
In der Umsatzsteuererklärung wurde die Zahlung von 2 Mio. DM nicht erfasst, nach einer Betriebsprüfung unterwarf das beklagte Finanzamt die Zahlung der Umsatzsteuer und rechnete aus dem Betrag von 2 Mio. DM die darin enthaltene Umsatzsteuer heraus.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat in dem Verzicht auf die Durchführung der Maßnahme eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG und § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gesehen. Eine solche im Rahmen eines Leistungsaustauschprozesses erbrachte sonstige Leistung liegt vor, wenn der Leistungsempfänger (hier das Land) einen Vorteil aus der Vereinbarung erlangt hat. Nach den Feststellungen des Gerichts hat das Land die Zahlung nicht nur aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemein-politischen Gründen vorgenommen, sondern auch, um für die als Abfalldeponie vorgesehenen Flächen die Planungsfreiheit wieder zu erlangen. Da die Klägerin aus den ersten - abgeschlossenen - Gerichtsverfahren eine rechtskräftig festgestellte Befugnis zum Betrieb der Anlage hatte und völlig offen war, ob im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung diese Genehmigung wieder eingeschränkt werden konnte, konnte das Land der Klägerin die nicht mehr entziehbare Genehmigung nur abkaufen. Dass auch eine politische Motivation für die Vereinbarung vorlag, hat keinen Einfluss auf die Beurteilung als Leistungsaustausch, da auch politisch gewünschte Projekte mit den Mitteln des Privatrechts - und damit unternehmerisch - durchgesetzt werden können.
Diese, im Rahmen einer konkreten und individuellen Vereinbarung, geleistete Zahlung hat auch keinen Schadensersatzcharakter, da nicht ersichtlich ist, dass sich das Land schadensstiftend verhalten habe. Es handelt sich vielmehr um einen Aufwendungsersatz, der Entgelt für eine Leistung darstellt und grundsätzlich keinen Schadensersatzcharakter haben kann.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das FG die Revision beim BFH (Az: V R 19/05) zugelassen.
Hinweis
Das Urteil des FG Münster ist konsequent in der Abgrenzung zum nicht steuerbaren Schadensersatz. Ein Schadensersatz liegt dann vor, wenn der Geschädigte außerhalb eines Leistungsaustauschs von dem Schädiger eine Zahlung erhält. Soweit ein Leistungsaustausch vorliegt, kann für einen nicht steuerbaren Schadensersatz kein Raum mehr sein. Dabei ist zu beachten, dass die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch eher weit interpretiert werden. Nur wenn eindeutig eine schädigende Handlung vorliegt, kann es zu einem nicht steuerbaren Schadensersatz kommen. Aufwendungsersatz stellt grundsätzlich Gegenleistung für eine Tätigkeit dar.
Auf die Motivation eines Leistungsempfängers kommt es für die Annahme eines Leistungsaustauschprozesses nicht an. Auch dies ist konsequent, da die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung nicht von der Person des Leistungsempfängers und seiner Verwendungsabsicht abhängig gemacht werden kann.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 18.01.2005, 15 K 827/01 U