Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert, Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert
Leitsatz
Eine Entschädigung ist nur dann nach § 34 EStG (Fünftelungsregelung) steuerbegünstigt, wenn es sich dabei um außerordentliche Einkünfte handelt. Von der Finanzverwaltung wird hierzu verlangt, dass die Entschädigungsleistung zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließt (vgl. BMF, Schreiben v. 18.12.1998, BStBl 1998 I S. 1512). In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die Entschädigung unter Berücksichtigung der weggefallen Einnahmen zur Außerordentlichkeit in diesem Sinne führt. Das FG Baden-Württemberg setzte sich mit der ersten Fragestellung auseinander und kam zur Auffassung, dass eine Hauptentschädigung selbst dann nach § 34 EStG begünstigt besteuert werden kann, wenn neben der Hauptentschädigung in einem späteren Veranlagungszeitraum aus Gründen der sozialen Fürsorge weitere Zahlungen an den ehemaligen Arbeitnehmer geleistet werden.
Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer schied 1993 aus einem Unternehmen aus und erhielt eine Abfindungszahlung. Unter Berücksichtigung des Abfindungsfreibetrages wurde der verbleibende steuerpflichtige Arbeitslohn von 179.000 DM im Lohnsteuerabzugsverfahren und in der Einkommensteuerveranlagung gem. § 34 EStG ermäßigt besteuert. Eine nähere Prüfung des Sachverhaltes erfolgte durch das Finanzamt nicht, der Einkommensteuerbescheid erging endgültig. Mit der Einkommensteuer-Erklärung 1994 wurden wiederum ermäßigt zu besteuernde Entlassungsentschädigungen von 85.000 DM angegeben. Diese wurden vom ehemaligen Arbeitgeber als Aufzahlung zur ursprünglichen Abfindungszahlung geleistet. Begründet wurde dies damit, dass bei der ursprünglichen Festlegung der Abfindungshöhe versehentlich die monetäre Auswirkung des frühen Ausscheidens auf die Altersversorgung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Die Aufzahlungsvereinbarung datierte vom 14.7.1994. Das Finanzamt versagte daraufhin die Steuerermäßigung gem. § 34 EStG für die Entschädigung des Jahres 1993.
Entscheidung
Formal-rechtlich konnte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 1993 gem. § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ändern. Bei der Aufzahlungsvereinbarung vom 14.7.1994 handelte es sich um eine nachträglich bekanntgewordene Tatsache, die zu einer höheren Steuer führt. Eine Änderung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben war nicht ausgeschlossen. Denn sowohl das Finanzamt als auch der Steuerpflichtige haben es bei der Einkommensteuer-Erklärung versäumt, den Sachverhalt näher aufzuklären. Folglich wird dies gegen den Steuerpflichtigen verwandt.
Materiell-rechtlich erfolgte die Änderung allerdings zu Unrecht. Der BFH hat in seiner jüngeren Rechtsprechung wesentliche Ausnahmen vom Grundsatz der Zusammenballung der steuerpflichtigen Entlassungsentschädigung zugelassen (BFH, Urteil v. 24.1.2002, XI R 2/01, BFH, Urteil v. 3.7.2002, XI R 80/00, BFH, Urteil v. 14.8.2001, XI R 22/00). Eine Hauptentschädigung ist selbst dann nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern, wenn in einem späteren VZ aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit eine Entlassungsentschädigungszusatzleistung gewährt wird. Eine solche Zusatzleistung wurde im Urteilsfall angenommen. Der Begriff der "sozialen Zusatzleistung" ist bislang nicht näher definiert. Das FG sieht diesen Tatbestand als erfüllt an, weil die Zweckbestimmung der Zusatzleistung der Ausgleich von Verlusten bei der Altersversorgung war und ein soziales Motiv somit zu Grunde liegt. Dies gilt, obwohl die Zusatzleistung rund 40 Prozent der Hauptleistung betrug.
Hinweis
Die Finanzverwaltung hat auf die neuere Rechtsprechung des BFH und die Anschlussrechtsprechung des FG nicht reagiert, bisherige Verwaltungsanweisungen wurden noch nicht überarbeitet. Für die Praxis sollte im Lohnsteuerabzugsverfahren zur Vermeidung von Haftungsrisiken nach den bisherigen Verwaltungsanweisungen verfahren werden. Dies schließt nicht aus, dass der Arbeitnehmer in seiner persönlichen Einkommensteuer-Erklärung für eine im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht ermäßigt besteuerte Entlassungsentschädigung eine Begünstigung gem. § 34 EStG beantragt.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.02.2003, 13 K 68/00