Leitsatz
Die Grundsätze des sog. Erbvergleichs sind auf einen Vergleich zwischen Miterben und einem nicht am Nachlass beteiligten Dritten über Grund und Höhe möglicher Ansprüche des Erblassers unanwendbar.
Normenkette
§ 779 BGB, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1 ErbStG
Sachverhalt
Der Angestellte (A) eines Kreditinstituts (KI) hatte Kundengelder veruntreut. Die Miterben eines Kunden machten gegenüber KI geltend, auch ihr Erblasser habe A einen hohen Geldbetrag zur Anlage übergeben, ohne dies beweisen zu können. Es kam zu einem privat-schriftlichen Vergleich, aufgrund dessen KI den Miterben einen erheblichen Betrag zahlte.
Das FA setzte daraufhin gegen die einzelnen Miterben die bereits festgesetzte Erbschaftsteuer jeweils durch Änderungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO herauf. Die dagegen erhobene Klage einer Miterbin wies das FG ab.
Entscheidung
Der BFH gab der Revision der Erbin statt und verwies die Sache an das FG zurück. Der Vergleich ändere nichts daran, dass die geltend gemachte Forderung nur dann zum Erwerb i.S.d. § 10 Abs. 1 ErbStG gehöre, wenn sie beim Tod des Erblassers bestanden habe. Da der Vergleich seinen Rechtsgrund nicht im Erbrecht, sondern in dem behaupteten Anspruch habe, bleibe es dabei, dass der Anspruch nur angesetzt werden könne, wenn er sich feststellen lasse. Der Vergleich habe auch zu keiner nachträglichen Veränderung des Sachverhalts i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geführt.
Das FG müsse nunmehr prüfen, ob sich das Bestehen des Anspruchs feststellen lasse und diesen ggf. auf den Todestag des Erblassers unter Berücksichtigung eines Prozessrisikos bewerten.
Hinweis
Die Erben können die mit dem Tod des Erblassers eingetretene Erbrechtslage grundsätzlich nicht durch Vereinbarungen mit erbschaftsteuerlicher Wirkung beeinflussen. Eine Ausnahme besteht bei zweifelhafter Erbrechtslage insofern, als nach der Rechtsprechung die vergleichsweise Regelung einer solchen Rechtslage steuerrechtlich anerkannt wird. Das Ergebnis dieser Regelung habe seine Rechtsgrundlage noch im Erbrecht.
Ein Vergleich mit einem Dritten über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Forderung des Erblassers bereinigt aber keine zweifelhafte Erbrechtslage, sondern die "Schuldrechtslage", wie sie beim Tod des Erblassers bestanden haben soll. Die Zweifelhaftigkeit der Rechtslage betrifft in einem solchen Fall nicht die Erbfolge oder die Verteilung des Nachlasses, sondern den Umfang des Nachlasses in Abgrenzung zur Vermögenssphäre Dritter.
Geht es aber darum, ob ein bestimmter Vermögensgegenstand im Nachlass vorhanden ist oder nicht, kann er nur dann angesetzt werden, wenn seine Existenz mit hinreichender Sicherheit feststeht. Ist das Gericht von seiner Existenz überzeugt, kann es bei Forderungen des Erblassers ein etwaiges Prozessrisiko wertmindernd berücksichtigen.
Gelingt es den Erben, einen Dritten durch Vergleich zur Tilgung einer behaupteten Forderung des Erblassers zu bewegen, deren Existenz das FA bzw. das FG nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen kann, erfahren die Erben einen Vermögenszuwachs, bei dem zwar ihre Erbenstellung als Gesamtrechtsnachfolger eine Rolle spielt, der aber gleichwohl nicht der Erbschaftsteuer unterliegt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.02.2008, II R 82/05