Leitsatz
Hebt die Finanzbehörde während eines finanzgerichtlichen Verfahrens den angefochtenen Haftungsbescheid unter gleichzeitigem Erlass eines neuen Haftungsbescheids auf, so ist der neue Haftungsbescheid noch innerhalb der nach § 171 Abs. 3a Satz 1 AO gehemmten Festsetzungsfrist ergangen.
Normenkette
§ 171 Abs. 3a Satz 1 AO
Sachverhalt
Der Geschäftsführer einer GmbH war vom FA wegen rückständiger Umsatzsteuer für 1992 mit Haftungsbescheid von 1998 in Anspruch genommen worden. Dagegen wurde Klage erhoben. Im Jahr 2000 übersandte das FA dem Kläger einen neuen Haftungsbescheid; in demselben Schreiben nahm es den ersten Haftungsbescheid zurück. Daraufhin stellte das FG die Erledigung des Klageverfahrens gegen den ersten Haftungsbescheid ein. Der Kläger klagte jedoch auch gegen den zweiten Haftungsbescheid, weil die Festsetzungsfrist abgelaufen sei.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Das FA konnte anstelle des ursprünglichen Haftungsbescheids einen neuen Haftungsbescheid trotz Ablaufs der vierjährigen Festsetzungsfrist erlassen, weil die Klage gegen den ersten Bescheid den Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt hat und diese Hemmung bei Rücknahme und zeitgleichem Neuerlass des zweiten Bescheids noch andauerte.
Hinweis
1. Die Festsetzungsfrist für Haftungsbescheide beträgt – wie bei Steuerbescheiden – grundsätzlich vier Jahre, beginnend mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Haftung knüpft (§ 191 Abs. 3 Satz 3 AO). Beispiel: Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung.
2. Die Festsetzungsfrist eines mit einem Einspruch oder einer Klage angefochtenen Steuer- oder Haftungsbescheids läuft nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist (§ 171 Abs. 3a Satz 1 AO).
3. Der BFH hat mitunter formuliert, mit der Aufhebung eines Bescheids trete seine Unanfechtbarkeit und damit der Verlust der ablaufhemmenden Wirkung unabhängig von den Gründen ein, die Anlass zu seiner Aufhebung waren (vgl. BFH, Urteile vom 16.5.1990, X R 147/87, BStBl II 1990, 942 und vom 6.5.1994, VI R 47/93, BStBl II 1994, 715). Diese missverständliche Formulierung hat der BFH jetzt präzisiert: Die durch Rechtsbehelf gegen einen Bescheid eintretende Ablaufhemmung dauert bis zu dessen Aufhebung an, so dass bis zur Aufhebung ein neuer, ersetzender Bescheid erlassen werden kann, auch wenn die 4-Jahres-Frist schon abgelaufen ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 5.10.2004, VII R 18/03