Leitsatz
Die Rettungswache, der ein Rettungsassistent zugeordnet ist, ist dessen erste Tätigkeitsstätte, wenn er dort arbeitstäglich vor dem Einsatz auf dem Rettungsfahrzeug vorbereitende Tätigkeiten vornimmt (z.B. Überprüfung des Rettungsfahrzeugs in Bezug auf Sauberkeit und ordnungsgemäße Bestückung mit Medikamenten und sonstigem (Verbrauchs-)Material, im Bedarfsfall Reinigung sowie Bestückung des Fahrzeugs mit fehlenden Medikamenten und fehlendem (Verbrauchs-)Material).
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a, Abs. 4, Abs. 4a EStG
Sachverhalt
Der Kläger erzielte im Streitjahr (2015) als Rettungsassistent im Schichtdienst Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Er kam ca. 15 bis 20 Minuten vor Schichtbeginn in die Rettungswache und legte seine Dienstkleidung an. Anschließend prüfte er, ob das Rettungsfahrzeug sauber war und die erforderliche Ausstattung – wie Medikamente und sonstiges (Verbrauchs-)Material – enthielt. War dies nicht der Fall, reinigte der Kläger den Innenraum des Fahrzeugs und ergänzte die fehlende Ausstattung. Etwaige Krankmeldungen reichte er ebenfalls in der Rettungswache bei der dortigen Wachleitung ein. Sobald von der Rettungsleitstelle Einsatzdaten übermittelt wurden, fuhr der Kläger im Rettungsfahrzeug zum Einsatz. Nach dem jeweiligen Einsatz verblieb er im dortigen Stadtteil. Bei Schichtende fuhr er das Rettungsfahrzeug nach dem letzten Einsatz wieder zur Rettungswache.
In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger Mehraufwendungen für Verpflegung bei Auswärtstätigkeit an 22 Arbeitstagen als Werbungskosten geltend. Seine Abwesenheitszeit von der Wohnung habe an diesen Tagen mehr als acht Stunden betragen. Über eine erste Tätigkeitsstätte verfüge er nicht. Sein Arbeitsplatz sei vielmehr das Rettungsfahrzeug. Folglich stehe ihm eine Verpflegungspauschale von 12 EUR pro Tag zu.
Das FA berücksichtigte die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen nicht. Die nach insoweit erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG ab. Der Kläger habe in der Rettungswache über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt und nicht nachgewiesen, dass er an den streitigen Arbeitstagen mehr als acht Stunden ununterbrochen außerhalb seiner Wohnung und der Rettungswache tätig gewesen sei (FG Nürnberg, Urteil vom 3.5.2018, 6 K 1218/17, Haufe-Index 13369614).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hat der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist gemäß § 9 Abs. 4a Satz 1 EStG zur Abgeltung der ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen eine Verpflegungspauschale nach Maßgabe des Satzes 3 anzusetzen.
2. Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013 (BGBl I 2013, 285) die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.
a) Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Einer gesonderten Zuordnung für einkommensteuerliche Zwecke bedarf es nicht (BFH, Urteil vom 11.4.2019, VI R 40/16, BFH/NV 2019, 959).
b) Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören (z.B. BFH, Urteil vom 4.4.2019, VI R 27/17, BFH/NV 2019, 944).
c) Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
3. Nach diesen Maßstäben ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Rettungswache als unstreitig ortsfeste betriebliche Einrichtung im Streitjahr die erste Tätigkeitsstätte des Klägers war.
a) Dieser war der Kläger auch dauerhaft zugeordnet.
aa) Denn er hatte seit Beginn seiner Tätigkeit als Rettungsassistent nach den von seinem Arbeitgeber aufgestellten Dienstplänen seine Tätigkeit grundsätzlich in der Rettungswache zu beginnen. Damit hatte der Arbeitgeber den Kläger kraft seines Direktionsrechts der Rettun...