Leitsatz
1. Der (pauschalen) Umsatzbesteuerung nach Durchschnittssätzen gem. § 24 UStG unterliegt nur die Veräußerung selbst erzeugter landwirtschaftlicher Produkte.
2. Dagegen ist die Veräußerung zugekaufter landwirtschaftlicher Produkte sowie die Veräußerung sog. Handelswaren nach den allgemeinen Vorschriften des UStG zu besteuern (teilweise Änderung der Rechtsprechung).
3. Wegen der Notwendigkeit, § 24 UStG richtlinienkonform auszulegen, haben die im Ertragsteuerrecht entwickelten "Zukaufsgrenzen" keine Bedeutung für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung, wann ein Umsatz im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs ausgeführt wird.
Normenkette
§ 24 UStG, Art. 25 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger, ein Gärtnermeister, verkaufte neben seinen selbst gezogenen Blumen und Zierpflanzen auch zugekaufte landwirtschaftliche Produkte sowie sog. Handelswaren wie z.B. Blumentöpfe, Keramikwaren, Korbwaren und Dekorationsartikel.
Der Streit über die ertragsteuerrechtlich geltenden "Zukaufsgrenzen" bei den Handelswaren führte dazu, dass das FA sämtliche in dem Laden ausgeführten Umsätze der Regelbesteuerung unterwarf mit der Begründung, der Laden sei als selbstständiger Gewerbebetrieb zu beurteilen. Die Klage hatte keinen Erfolg (EFG 2005, 1986).
Entscheidung
Die Revision des Klägers führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Nur selbst erzeugte landwirtschaftliche Produkte unterliegen der Durchschnittssatzbesteuerung.
Weil das FG – wie das FA – nicht nur auf die Umsätze aus der Veräußerung der zugekauften, sondern auch der selbst erzeugten landwirtschaftlichen Produkte den Regelsteuersatz anwandte, muss das FG noch deren Umfang ermitteln. Allerdings fallen auch die für die Veräußerung dieser Produkte erforderliche Verpackung unter die Durchschnittssatzbesteuerung (vgl. Anhang B zur 6. EG-RL "Liste der Landwirtschaftlichen Dienstleistungen" 2. Gedankenstrich).
Hinweis
Die Entscheidung betrifft zwar nur die einkommensteuerrechtlichen "Zukaufsgrenzen". Sie beseitigt aber letzte Zweifel, ob vielleicht doch noch vereinzelt die einkommensteuerrechtlichen Kriterien zur Beurteilung der Frage, ob (noch) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft vorliegen, für die USt Bedeutung haben könnten.
1.§ 24 UStG gilt seinem Wortlaut nach für "die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze". Bei richtlinienkonformer Auslegung sind damit nur die Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftliche Dienstleistungen gemeint, auf die die Pauschalregelung des Art. 25 der 6. EG-RL Anwendung findet.
Andere Umsätze, "die der Pauschallandwirt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs tätigt", unterliegen nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH der allgemeinen Regelung.
2. Ganz überraschend ist die Entscheidung nicht, denn der BFH hatte bereits im Urteil vom 20.12.2001, V R 43/00 (BFH-PR 2001, 226) entschieden, dass der (pauschalen) Umsatzbesteuerung nach Durchschnittssätzen (§ 24 UStG) nicht die Veräußerung zugekaufter nicht betriebstypischer Produkte (sog. Handelswaren) unterliegen, und die Veräußerung zugekaufter landwirtschaftlicher Produkte nicht beanstandet, weil sie im entschiedenen Fall nur geringfügig (unter 2 % des Gesamtumsatzes) war. Die spätere EuGH-Rechtsprechung, die betont hatte, dass nur die Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftlicher Dienstleistungen von der Pauschalregelung des Art. 25 der 6. EG-RL erfasst sind, gebot auch insoweit eine Korrektur.
3. In Anhang A zu Art. 25 der 6. EG-RL sind lediglich "Tätigkeiten der landwirtschaftlichen Erzeugung" aufgelistet, nicht aber die Vermarktung dieser Erzeugnisse. Dass auch diese Tätigkeit – soweit es sich dabei um die Vermarktung der eigenen Erzeugnisse handelt – notwendigerweise zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehört, hielt der Richtliniengeber offenbar für nicht besonders regelungsbedürftig. Dabei kann es aber nur um die Vermarktung der eigenen Erzeugnisse gehen. Dies gebieten die – auf den konkreten Betrieb abstellenden – Definitionen "landwirtschaftlicher Erzeuger", "landwirtschaftlicher, forstwirtschaftlicher oder Fischerei-Betrieb", "Pauschallandwirt", "landwirtschaftliche Erzeugnisse" sowie "landwirtschaftliche Dienstleistungen" in Art. 25 Abs. 2 der 6. EG-RL und der Zweck der Regelung, die Belastung durch die Steuer auf die von den Landwirten bezogenen Lieferungen und Leistungen durch den Pauschalausgleich bei der Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder Erbringung landwirtschaftliche Dienstleistungen auszugleichen.
4. Dass nach Art. 25 der 6. EG-RL "landwirtschaftlicher, forstwirtschaftlicher oder Fischereibetrieb" die Betriebe sind, die "in dem einzelnen Mitgliedstaat im Rahmen der in Anhang A genannten Erzeugertätigkeiten als solche gelten", erlaubt den Mitgliedstaaten nicht, den in Art. 25 i.V.m. Anhang A und B der 6. EG-RL vorgegebenen Rahmen zu überschreiten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.06.2007, V R 56/05