Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft, Bezug auf verschiedene Waren, Begriff der "nur auf eine Art von Waren"
Leitsatz (amtlich)
Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1602/2000 der Kommission vom 24. Juli 2000 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sich ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft auf verschiedene Waren beziehen kann, sofern sie zu nur einer Art von Waren gehören. Nur solche Waren, die ähnliche Merkmale aufweisen und deren Unterschiede für ihre zolltarifliche Einreihung ohne jede Bedeutung sind, können als nur einer Art von Waren im Sinne dieser Vorschrift zugehörig angesehen werden.
Normenkette
EWGV 2454/93 Art. 6 Abs. 2
Beteiligte
Verfahrensgang
Augstakas tiesas Senata Administrativo lietu departaments (Lettland) (Urteil vom 30.04.2009; Abl.EU 2009, Nr. C 193/10) |
Tatbestand
„Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 ‐ Durchführungsvorschriften zum Zollkodex der Gemeinschaften ‐ Art. 6 Abs. 2 ‐ Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft ‐ Begriff "nur … eine Art von Waren"
In der Rechtssache C-199/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Augstākās tiesas Senāta Administratīvo lietu departaments (Lettland) mit Entscheidung vom 30. April 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juni 2009, in dem Verfahren
Schenker SIA
gegen
Valsts ieņēmumu dienests
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter), E. Juhász, G. Arestis und T. von Danwitz,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Schenker SIA, vertreten durch A. Tauriņś, valdes loceklis,
‐ des Valsts ieņēmumu dienests, vertreten durch A. Drulle als Bevollmächtigten,
‐ der lettischen Regierung, vertreten durch K. Drēviņa und K. Krasovska als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Sauka und L. Bouyon als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 253, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1602/2000 der Kommission vom 24. Juli 2000 (ABl. L 188, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex-Durchführungsverordnung).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Schenker SIA (im Folgenden: Schenker) und dem Valsts ieņēmumu dienests (lettische Steuerverwaltung, im Folgenden: VID) über dessen Weigerung, eine verbindliche Zolltarifauskunft für Waren mit der Bezeichnung „LCD-Flüssigkristallpaneele“ zu erteilen, die damit begründet wurde, dass ein einziger Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft für mehrere Arten von Waren gestellt worden sei.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 17, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex) bestimmt:
„Wer bei den Zollbehörden eine Entscheidung beantragt, muss alle Angaben und Unterlagen liefern, die von diesen Behörden für die Entscheidung benötigt werden.“
Rz. 4
Art. 11 Abs. 1 des Zollkodex lautet:
„Jede Person kann bei den Zollbehörden Auskünfte über die Anwendung des Zollrechts beantragen.
Ein solcher Antrag kann abgelehnt werden, wenn er sich nicht auf eine tatsächlich beabsichtigte Ein- oder Ausfuhr bezieht.“
Rz. 5
Art. 12 des Zollkodex bestimmt:
„(1) Auf schriftlichen Antrag erteilen die Zollbehörden nach Modalitäten, die im Wege des Ausschussverfahrens festgelegt werden, verbindliche Zolltarifauskünfte oder verbindliche Ursprungsauskünfte.
(2) Die verbindliche Zolltarifauskunft oder die verbindliche Ursprungsauskunft bindet die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten nur hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung bzw. der Feststellung des Ursprungs der Waren.
…
(3) Der Berechtigte muss nachweisen können, dass
‐ bei zolltariflichen Fragen die angemeldete Ware der in der Auskunft beschriebenen in jeder Hinsicht entspricht;
…
(4) Eine verbindliche Auskunft ist vom Zeitpunkt ihrer Erteilung an gerechnet bei zolltariflichen Fragen sechs Jahre und bei Ursprungsfragen drei Jahre lang gültig. Abweichend von Artikel 8 wird sie zurückgenommen, wenn sie auf unrichtigen...