Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug, Verzinsung von Vorsteuerguthaben, Minderung der Bemessungsgrundlage, Pflicht zur Verzinsung von Vorsteuerüberschüssen

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 90 Abs. 1, Art. 183

 

Beteiligte

technoRent International u.a

CS

Finanzamt Österreich, Dienststelle Graz-Stadt

Finanzamt Österreich, Dienststelle Judenburg Liezen

technoRent International GmbH

 

Verfahrensgang

VwGH Wien (Österreich) (Beschluss vom 24.10.2019; ABl. EU 2020, Nr. C 77/23)

 

Tenor

Art. 90 Abs. 1 und Art. 183 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind in Verbindung mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität dahin auszulegen, dass eine Erstattung, die sich aus einer Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage nach Art. 90 Abs. 1 dieser Richtlinie ergibt, ebenso wie eine Erstattung eines Vorsteuerüberschusses nach Art. 183 dieser Richtlinie zu verzinsen ist, wenn sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt. Dem vorlegenden Gericht obliegt es, alles in seiner Zuständigkeit Liegende zu tun, um die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts sicherzustellen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 24. Oktober 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 15. November 2019, in den Verfahren

CS,

Finanzamt Österreich, Dienststelle Graz-Stadt, vormals Finanzamt Graz-Stadt,

gegen

Finanzamt Österreich, Dienststelle Judenburg Liezen, vormals Finanzamt Judenburg Liezen,

technoRent International GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter A. Kumin, T. von Danwitz und P. G. Xuereb (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Ziemele,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch und F. Koppensteiner als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaite und L. Mantl als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. Januar 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 90 Abs. 1 und Art. 183 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) sowie von Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. 2008, L 44, S. 23).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten, wobei sich im ersten Rechtsstreit CS, eine natürliche Person, und das Finanzamt Österreich, Dienststelle Judenburg Liezen (Österreich), vormals Finanzamt Judenburg Liezen, und im zweiten Rechtsstreit das Finanzamt Österreich, Dienststelle Graz-Stadt (Österreich), vormals Finanzamt Graz-Stadt, und die technoRent International GmbH, eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, gegenüberstehen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Mehrwertsteuerrichtlinie

Rz. 3

Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.”

Rz. 4

In Art. 167 dieser Richtlinie heißt es:

„Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.”

Rz. 5

Art. 183 der Richtlinie bestimmt:

„Übersteigt der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der für einen Steuerzeitraum geschuldeten Mehrwertsteuer, können die Mitgliedstaaten den Überschuss entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen oder nach den von ihnen festgelegten Einzelheiten erstatten.

Die Mitgliedstaaten können jedoch festlegen, dass geringfügige Überschüsse weder vorgetragen noch erstattet werden.”

Richtlinie 2008/9

Rz. 6

In den Erwägungsgründen 1 bis 3 der Richtlinie 2008/9 heißt es:

„(1) Sowohl die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten als auch Unternehmen haben erhebliche Probleme mit den Durchführungsbestimmungen, die in der Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige [ABl. 1979, L 331, S. 11] festgelegt sind.

(2) Die Regelungen jener Richtlinie sollten hinsichtlich der Frist, innerhalb deren die Entscheidungen über die Erstattungsanträge den Unternehmen mitzuteilen sind, geändert werden. Gleichzeitig sollte vorgesehen werden, dass...

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