Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung des Vorsteuerabzugs, Leistung von einem als inaktiv erklärten Unternehmer
Leitsatz (amtlich)
Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 geänderten Fassung, namentlich ihre Art. 213, 214 und 273, ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, wonach die Steuerverwaltung einem Steuerpflichtigen, der in einem Zeitraum Erwerbe getätigt hat, in dem seine Mehrwertsteueridentifikationsnummer gelöscht war, weil er keine Steuererklärungen abgegeben hatte, das Recht, die Vorsteuer für diese Erwerbe mittels nach der Reaktivierung seiner Identifikationsnummer erstellter Mehrwertsteuererklärungen – oder ausgestellter Rechnungen – abzuziehen, allein aus dem Grund versagen kann, dass diese Erwerbe während des Zeitraums der Deaktivierung stattfanden, obwohl die materiellen Anforderungen erfüllt sind und das Vorsteuerabzugsrecht nicht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 213-214, 273
Beteiligte
Siemens Gamesa Renewable Energy România |
Siemens Gamesa Renewable Energy România SRL |
Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală de Soluţionare a Contestaţiilor |
Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală de Administrare a Marilor Contribuabili |
Verfahrensgang
Curte de Apel Bucuresti (Rumänien) (Beschluss vom 16.11.2016; Abl.EU 2017, Nr. C 144/27) |
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 16. November 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Februar 2017, in dem Verfahren
Siemens Gamesa Renewable Energy România SRL, vormals Gamesa Wind România SRL,
gegen
Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală de Soluţionare a Contestaţiilor,
Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală de Administrare a Marilor Contribuabili
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter) sowie der Richterinnen A. Prechal und C. Toader,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Siemens Gamesa Renewable Energy România SRL, vertreten durch A. Stănoiu und O. Marian, avocaţi,
- der rumänischen Regierung, zunächst vertreten durch H. R. Radu, dann durch C.-R. Canţăr, R. I. Haţieganu und L. Liţu als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G.-D. Balan und R. Lyal als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 (ABl. 2010, L 189, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2006/112).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gamesa Renewable Energy România SRL, vormals Gamesa Wind România SRL (im Folgenden: Gamesa) auf der einen sowie der Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală de Soluţionare a Contestaţiilor (Staatliche Steuerverwaltungsagentur – Generaldirektion für Rechtsbehelfsentscheidungen, Rumänien) und der Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală de Administrare a Marilor Contribuabili (Staatliche Steuerverwaltungsagentur – Generaldirektion für die Verwaltung von Großsteuerzahlern, Rumänien) auf der anderen Seite wegen des Rechts von Gamesa, Mehrwertsteuer, die sie für Erwerbe entrichtet hat, die sie in dem Zeitraum getätigt hat, in dem ihre Mehrwertsteueridentifikationsnummer gelöscht war, als Vorsteuer abzuziehen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 in Titel I „Zielsetzung und Anwendungsbereich”) der Richtlinie 2006/112 sieht in Abs. 2 Unterabs. 2 vor:
„Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.”
Rz. 4
In Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:
„Als ‚Steuerpflichtiger’ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.
Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden … Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.”
Rz. 5
Art. 167 der Richtlinie bestimmt:
„Das Recht auf V...