Entscheidungsstichwort (Thema)
In anderem Mitgliedstaat erzielte Renteneinkünfte, Auswirkung auf Steuerbefreiung im Wohnsitzstaat, DBA Belgien/Luxemburg
Leitsatz (amtlich)
Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die bewirkt, dass ein in diesem Staat wohnhaftes Ehepaar, bei dem ein Ehegatte eine Pension in einem anderen Mitgliedstaat bezieht, die in dem ersten Mitgliedstaat aufgrund eines bilateralen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei ist, einen Teil der von diesem Mitgliedstaat gewährten Steuervergünstigungen einbüßt.
Normenkette
AEUV Art. 45
Beteiligte
Verfahrensgang
Tribunal de première instance de Liège (Belgien) (Beschluss vom 08.02.2018; Abl.EU 2018, Nr. C 166/25) |
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal de première instance de Liège (Gericht erster Instanz Lüttich, Belgien) mit Entscheidung vom 8. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 5. März 2018, in dem Verfahren
Jean Jacob,
Dominique Lennertz
gegen
État belge
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter E. Juhász und C. Vajda (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin, J.-C. Halleux und C. Pochet als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und N. Gossement als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Jean Jacob und Frau Dominique Lennertz, einem in Belgien wohnhaften Ehepaar, auf der einen und dem belgischen Staat auf der anderen Seite wegen der Berücksichtigung der von Herrn Jacob in einem anderen Mitgliedstaat bezogenen Rente, die in Belgien von der Steuer befreit ist, jedoch in die Bemessungsgrundlage für die Gewährung von bestimmten Steuervergünstigungen einbezogen wird, im Rahmen der Berechnung ihrer gemeinsamen Besteuerung in Belgien mit der Folge, dass sie einen Teil der Steuervergünstigungen verlieren, auf die sie bei einer Nichtberücksichtigung Anspruch gehabt hätten.
Rechtlicher Rahmen
Abkommen von 1970
Rz. 3
Art. 18 „Ruhegehälter”) des Abkommens zwischen dem Königreich Belgien und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, unterzeichnet am 17. September 1970, in der im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Abkommen von 1970), bestimmt in § 3:
„… Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen aus Luxemburg, die einer in Belgien ansässigen Person gezahlt werden, [können] nicht in Belgien besteuert werden, wenn sie sich aus Beiträgen, Leistungen oder Versicherungsprämien, die vom Begünstigten oder für ihn in ein ergänzendes Altersvorsorgesystem eingezahlt wurden, oder aus Zuwendungen des Arbeitgebers an ein betriebliches Altersvorsorgesystem ergeben und wenn diese Beiträge, Leistungen, Versicherungsprämien oder Zuwendungen in Luxemburg tatsächlich besteuert wurden.”
Rz. 4
Art. 23 § 2 Nr. 1 des Abkommens von 1970 lautet:
„Bei Personen, die in Belgien ansässig sind, wird die Doppelbesteuerung wie folgt vermieden:
- Die aus Luxemburg stammenden Einkünfte – mit Ausnahme der unter die Nummern 2 und 3 fallenden Einkünfte – und die in Luxemburg gelegenen Vermögensteile, die nach den vorstehenden Artikeln in diesem Staat besteuert werden können, sind in Belgien von der Steuer befreit. Diese Befreiung schränkt nicht das Recht Belgiens ein, die auf diese Weise befreiten Einkünfte und Vermögensteile bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen.”
Belgisches Recht
Rz. 5
Art. 131 des Code des impôts sur le revenu (Einkommensteuergesetzbuch) 1992 in der im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: CIR 1992) regelt die Steuerfreibeträge.
Rz. 6
Die gewährten Steuerermäßigungen für langfristiges Sparen, für Leistungen, die mit Dienstleistungsschecks vergütet werden, für Ausgaben zur Energieeinsparung in einer Wohnung, für Ausgaben für die Absicherung von Wohnungen gegen Einbruch oder Brand sowie für unentgeltliche Zuwendungen sind in den Art. 1451, 14521, 14524, 14531 bzw. 14533 des CIR 1992 geregelt.
Rz. 7
Art. 155 des CIR 1992 lautet:
„Einkünfte, die aufgrund internationaler Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind, werden für die Festlegung der Steuer berücksichtigt, wobei die Steuer jedoch im Verhältnis zum Anteil der steuerfreien Einkünfte an der Gesamtheit der Einkünfte ermäßigt wird.
Dies gilt ebenfal...