Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug, Pro-Rata-Satz, Hilfsumsatz, Zinserlöse aus Darlehen, Einbeziehung von Darlehenserlösen in den Pro-Rata-Satz des Vorsteuerabzugs
Leitsatz (amtlich)
Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d und Art. 19 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung und Praxis, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, nicht entgegenstehen, wonach ein Steuerpflichtiger
‐ auf alle von ihm erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen einen umsatzbasierten Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs anwenden muss, ohne dass eine Berechnungsmethode vorgesehen wäre, die sich auf die Art und die tatsächliche Zweckbestimmung der einzelnen erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen gründet und die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der eingegangenen Aufwendungen den einzelnen besteuerten und nicht besteuerten Tätigkeiten tatsächlich zuzurechnen ist, und
‐ für die Bestimmung der als „Hilfsumsätze“ qualifizierbaren Umsätze auf die Zusammensetzung seines Umsatzes abstellen muss, sofern die hierfür vorgenommene Beurteilung auch das Verhältnis dieser Umsätze zu den steuerbaren Tätigkeiten des Steuerpflichtigen und gegebenenfalls die mit diesen Umsätzen einhergehende Verwendung mehrwertsteuerpflichtiger Gegenstände und Dienstleistungen berücksichtigt.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3, Art. 19
Beteiligte
Agenzia delle Entrate Direzione Provinciale Roma 3 |
Verfahrensgang
Commissione Tributaria Regionale (Italien) (Beschluss vom 06.05.2015; ABl. EU 2015, Nr. C 337/4) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 77/388/EWG ‐ Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d ‐ Geltungsbereich ‐ Anwendung eines Pro-rata-Vorsteuerabzugssatzes bei der Mehrwertsteuer auf den Erwerb der Gesamtheit der von einem Steuerpflichtigen genutzten Gegenstände und Dienstleistungen ‐ Hilfsumsätze ‐ Verwendung des Umsatzes als Anhaltspunkt“
In der Rechtssache C-378/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Commissione tributaria regionale di Roma (Regionalfinanzkommission Rom, Italien) mit Entscheidung vom 6. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Juli 2015, in dem Verfahren
Mercedes Benz Italia SpA
gegen
Agenzia delle Entrate Direzione Provinciale Roma 3
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský (Berichterstatter), M. Safjan und D. Sváby,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Mercedes Benz Italia SpA, vertreten durch P. Centore, avvocato,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von E. De Bonis, G. De Bellis und M. Capolupo, avvocati dello Stato,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und D. Recchia als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Juni 2016
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 Abs. 5 und Art. 19 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) in der für den streitgegenständlichen Sachverhalt maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Mercedes Benz Italia SpA (im Folgenden: Mercedes Benz) und der Agenzia delle Entrate Direzione Provinciale Roma 3 (Steuerverwaltung, Provinzdirektion Rom 3, im Folgenden: Steuerverwaltung) über Vorsteuerabzüge, die Mercedes Benz für das Steuerjahr 2004 vorgenommen hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Im 17. Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie hieß es:
„Es ist in bestimmten Grenzen und unter bestimmten Bedingungen angebracht, dass die Mitgliedstaaten von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen ergreifen können, um die Steuererhebung zu vereinfachen und bestimmte Steuerhinterziehungen und Steuerumgehungen zu verhüten.
…“
Rz. 4
Art. 13 Teil B dieser Richtlinie bestimmte:
„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten … von der Steuer:
d) die folgenden Umsätze:
1. die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber,
…“
Rz. 5
Art. 17 Abs. 2 und 5 der Richtlinie sahen vor:
„(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten St...