Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhere Besteuerung von Zinszahlungen an gebietsfremde Kreditinstitute als Zinszahlungen an Kreditinstitute mit Sitz in Portugal
Leitsatz (amtlich)
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
3. Die Republik Litauen trägt ihre eigenen Kosten.
Leitsatz (redaktionell)
Die EU-Kommission hat das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung, dass die portugiesische Regelung, wonach Zinszahlungen an gebietsfremde Kreditinstitute höher besteuert werden als Zinszahlungen an Kreditinstitute mit Sitz im portugiesischen Hoheitsgebiet, zu einer höheren Besteuerung der gebietsfremden Kreditinstitute in Bezug auf die Körperschaftsteuer führt, nicht nachgewiesen.
Normenkette
EGVtr Art. 49, 56; EWR-Abkommen Art. 36, 40
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Freier Dienstleistungsverkehr und freier Kapitalverkehr ‐ Art. 49 EG und 56 EG sowie 36 und 40 des EWR-Abkommens ‐ Direkte Steuern ‐ Besteuerung der Zinseinkünfte ‐ Schlechterstellung der Gebietsfremden ‐ Beweislast“
In der Rechtssache C-105/08
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 6. März 2008,
Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes, J. Menezes Leitão und C. Guerra Santos als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Republik Litauen, vertreten durch D. Kriaučiūnas und V. Kazlauskaite-venčioniene als Bevollmächtigte,
Streithelferin,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, M. Ilešič und J.-J. Kasel (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2010,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. März 2010
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Portugiesische Republik dadurch, dass sie Zinszahlungen an gebietsfremde Kreditinstitute höher besteuert als Zinszahlungen an Kreditinstitute mit Sitz im portugiesischen Hoheitsgebiet, die freie Erbringung von Hypothekar- und sonstigen Darlehensdienstleistungen durch Kreditinstitute mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten und in am Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) beteiligten Staaten beschränkt und infolgedessen gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 49 EG und 56 EG sowie 36 und 40 des EWR-Abkommens verstoßen hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Gemäß Art. 4 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzbuchs (Código do Imposto sobre o Rendimento Pessoas Colectivas), gebilligt durch Gesetzesdekret Nr. 442/B/88 vom 30. November 1988, in seiner Fassung aufgrund des Gesetzesdekrets Nr. 211/2005 vom 7. Dezember 2005 (Diário da República I, Serie A, Nr. 234, vom 7. Dezember 2005, im Folgenden: CIRC), unterliegen juristische Personen und sonstige Körperschaften, die im portugiesischen Hoheitsgebiet weder ihren Sitz noch ihre tatsächliche Geschäftsleitung haben, der Körperschaftsteuer (Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Colectivas, im Folgenden: IRC) nur bezüglich der in diesem Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte. Zu den betreffenden Einkünften gehören gemäß Art. 4 Abs. 3 Buchst. c CIRC Zinszahlungen von Schuldnern, die im portugiesischen Hoheitsgebiet wohnen bzw. dort ihren Sitz oder ihre tatsächliche Geschäftsleitung haben, oder Zinszahlungen, die einer festen Betriebsstätte in diesem Staat zuzurechnen sind.
Rz. 3
Bei Fehlen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (im Folgenden: DBA) werden derartige Einkünfte gemäß Art. 80 Abs. 2 Buchst. c CIRC grundsätzlich zu einem Satz von 20 % besteuert.
Rz. 4
Die in Rede stehende IRC wird gemäß Art. 88 Abs. 1 Buchst. c, 3 Buchst. b und 5 CIRC als definitive Steuer an der Quelle erhoben.
Rz. 5
Die zwischen der Portugiesischen Republik und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie den am EWR-Abkommen beteiligten Staaten geschlossenen DBA sehen gemäß Art. 11 des von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelten Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vor, dass der Satz, der auf diese Einkünfte von dem Staat angewandt wird, aus dem sie stammen, zwischen 10 % und 15 % liegt. Nach Art. 90-A Abs. 1 CIRC ist in solchen Fällen die Verpflichtung zur Einbehaltung an der Quelle auf den entsprechenden Teil der IRC beschränkt. Bei den beiden Staaten, mit denen die Portugiesische Republik kein DBA geschlossen hat, nämlich der Republik Zypern und dem Fürstentum Liechtenstein, beläuft sich dieser Satz auf 20 %.
Rz. 6
Zwischen d...