Entscheidungsstichwort (Thema)
Dividendenbesteuerung, Quellensteuerabzug, Abzug und Erstattung der Quellensteuer nur bei Gebietsansässigen
Leitsatz (amtlich)
Die Art. 63 AEUV und 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die bei den von einer gebietsansässigen Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden sowohl für gebietsansässige als auch für gebietsfremde Steuerpflichtige einen Steuerabzug an der Quelle vorschreiben, wobei sie nur für die gebietsansässigen Steuerpflichtigen ein Verfahren zum Abzug oder zur Erstattung der Quellensteuer vorsehen, während diese für steuerpflichtige gebietsfremde natürliche Personen und Gesellschaften eine endgültige Steuer darstellt, entgegenstehen, sofern die von den gebietsfremden Steuerpflichtigen in diesem Staat zu tragende endgültige steuerliche Belastung hinsichtlich dieser Dividenden höher ist als die von den gebietsansässigen Steuerpflichtigen zu tragende, was in den Ausgangsverfahren vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist. Bei der Ermittlung der jeweiligen steuerlichen Belastung muss das vorlegende Gericht in den Rechtssachen C-10/14 und C-14/14 die Besteuerung der Gebietsansässigen in Bezug auf sämtliche im Kalenderjahr an niederländischen Gesellschaften gehaltene Anteile sowie das nach den nationalen Rechtsvorschriften steuerfreie Kapitalvermögen und in der Rechtssache C-17/14 die mit dem Bezug der Dividenden als solchem in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Aufwendungen berücksichtigen.
Liegt eine Beschränkung des Kapitalverkehrs vor, kann diese durch die Wirkungen eines bilateralen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen dem Mitgliedstaat des Sitzes oder Wohnsitzes und dem Mitgliedstaat, aus dem die Dividenden stammen, gerechtfertigt sein, falls die unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen mit Sitz oder Wohnsitz im letztgenannten Staat und Steuerpflichtigen mit Sitz oder Wohnsitz in anderen Mitgliedstaaten bei der Besteuerung von Dividenden beseitigt wird. Unter Umständen wie denen der Rechtssachen C-14/14 und C-17/14 kann eine etwaige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen nicht als gerechtfertigt angesehen werden.
Normenkette
AEUV Art. 63, 65
Beteiligte
Staatssecretaris van Financien |
Verfahrensgang
Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) (Beschluss vom 20.12.2013; ABl. EU 2014, Nr. C 129/9) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Direkte Besteuerung ‐ Art. 63 AEUV und 65 AEUV ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Besteuerung von Dividenden aus Portfolioanteilen ‐ Steuerabzug an der Quelle ‐ Beschränkung ‐ Endgültige steuerliche Belastung ‐ Gesichtspunkte, die beim Vergleich der steuerlichen Belastungen gebietsansässiger und gebietsfremder Steuerpflichtiger zu berücksichtigen sind ‐ Vergleichbarkeit ‐ Berücksichtigung der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer ‐ Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ‐ Neutralisierung einer Beschränkung im Wege eines Abkommens“
In den verbundenen Rechtssachen C-10/14, C-14/14 und C-17/14
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidungen vom 20. Dezember 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Januar 2014, 15. Januar 2014 und 16. Januar 2014, in den Verfahren
J. B. G. T. Miljoen (C-10/14),
X (C-14/14),
Société Générale SA (C-17/14)
gegen
Staatssecretaris van Financiën
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters A. Ó Caoimh (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Dritten Kammer, der Richterin C. Toader sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Miljoen, vertreten durch E. Nijkeuter,
‐ von Frau X, vertreten durch N. de Haan, G. Th. K. Meussen und S. N. Baum-Sillé, advocaten,
‐ der Société Générale SA, vertreten durch M. Sanders und A. C. Breuer, advocaten,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman, M. Gijzen und M. de Ree als Bevollmächtigte im Beistand von I. Siemonsma und H. Guiljam,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, U. Persson, N. Otte Widgren, K. Sparrman, L. Swedenborg, E. Karlsson und F. Sjövall als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Beeko als Bevollmächtigten im Beistand von S. Ford, Barrister,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und A. Cordewener als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Juni 2015
folgendes
Urteil
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen d...