Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbarkeit, Leistungsaustausch, Urheberrecht, Dem Urheber zustehende Vergütung aufgrund des Folgerechts, Kunstwerk
Leitsatz (amtlich)
1. Die Republik Österreich hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen, dass sie die dem Urheber des Originals eines Kunstwerks aufgrund des Folgerechts zustehende Vergütung der Mehrwertsteuer unterwirft.
2. Die Republik Österreich trägt die Kosten.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 2 Abs. 1
Beteiligte
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 29. Januar 2018,
Europäische Kommission, vertreten durch N. Gossement und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer M. Vilaras in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Achten Kammer sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter) und M. Safjan,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) verstoßen hat, dass sie die dem Urheber des Originals eines Kunstwerks aufgrund des Folgerechts zustehende Vergütung der Mehrwertsteuer unterwirft.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Mehrwertsteuerrichtlinie
Rz. 2
Die Erwägungsgründe 3 und 5 der Mehrwertsteuerrichtlinie lauten:
„(3) Im Einklang mit dem Grundsatz besserer Rechtsetzung sollten zur Gewährleistung der Klarheit und Wirtschaftlichkeit der Bestimmungen die Struktur und der Wortlaut der Richtlinie neu gefasst werden; dies sollte jedoch grundsätzlich nicht zu inhaltlichen Änderungen des geltenden Rechts führen. Einige inhaltliche Änderungen ergeben sich jedoch notwendigerweise im Rahmen der Neufassung und sollten dennoch vorgenommen werden. Soweit sich solche Änderungen ergeben, sind sie in den Bestimmungen über die Umsetzung und das Inkrafttreten der Richtlinie erschöpfend aufgeführt.
…
(5) Die größte Einfachheit und Neutralität eines Mehrwertsteuersystems wird erreicht, wenn die Steuer so allgemein wie möglich erhoben wird und wenn ihr Anwendungsbereich alle Produktions- und Vertriebsstufen sowie den Bereich der Dienstleistungen umfasst. Es liegt folglich im Interesse des Binnenmarktes und der Mitgliedstaaten, ein gemeinsames System anzunehmen, das auch auf den Einzelhandel Anwendung findet.”
Rz. 3
In Art. 2 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;
…
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt;
…”
Rz. 4
Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Als ‚Dienstleistung’ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.”
Rz. 5
Art. 25 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Eine Dienstleistung kann unter anderem in einem der folgenden Umsätze bestehen:
- Abtretung eines nicht körperlichen Gegenstands, gleichgültig, ob in einer Urkunde verbrieft oder nicht;
- Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden;
- Erbringung einer Dienstleistung auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes.”
Rz. 6
Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.”
Richtlinie 2001/84/EG
Rz. 7
Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks (ABl. 2001, L 272, S. 32) lautet:
„Das Folgerecht soll den Urhebern von Werken der bildenden Künste eine wirtschaftliche Beteiligung am Erfolg ihrer Werke garantieren. Auf diese Weise soll ein Ausgleich zwischen der wirtschaftlichen Situation der bildenden Künstler und der Situation der anderen Kunstschaffenden hergestellt werden, die aus der fortgesetzten Verwertung ihrer Werk...