Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, Voraussetzungen der Steuerbefreiung beim Ersterwerb einer Immobilie, Beschränkung der Steuerbefreiung auf im Inland ansässige Personen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Hellenische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 12 EG, 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie aus den Art. 4, 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen,
‐ dass sie nach Art. 1 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 die Befreiung von der Grunderwerbsteuer ausschließlich Personen gewährt, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, und nicht auch Personen, die die Absicht haben, sich zukünftig dort niederzulassen, und
‐ dass sie die ‐ von bestimmten Voraussetzungen abhängige ‐ Befreiung von der Steuer ausschließlich griechischen Staatsangehörigen beim Erwerb ihrer ersten Wohnung im Inland gewährt.
2. Die Hellenische Republik trägt die Kosten.
Normenkette
EGVtr Art. 12, 18, 39, 43; EWR-Abk Art. 28; EWR-Abk Art. 4; EWR-Abk Art. 31
Beteiligte
Kommission / Griechenland |
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Art. 12 EG, 18 EG, 39 EG und 43 EG ‐ Art. 4, 28 und 31 des Abkommens über die Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums ‐ Steuerrecht ‐ Voraussetzungen für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer beim ersten Erwerb einer Immobilie ‐ Befreiung nur für im Inland ansässige Personen und für zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht dort ansässige Personen griechischer Abstammung“
In der Rechtssache C-155/09
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 4. Mai 2009,
Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Hellenische Republik, vertreten durch P. Mylonopoulos und V. Karra als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter J.-J. Kasel, E. Levits und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2010,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG im Licht des Art. 12 EG sowie aus den Art. 4, 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass sie die Ausübung der sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Grundfreiheiten behindert,
‐ indem sie die Befreiung von der Grunderwerbsteuer (im Folgenden: Steuer) ausschließlich Personen gewährt, die ihren ständigen Wohnsitz in Griechenland haben, und nicht auch Personen, die die Absicht haben, sich zukünftig dort niederzulassen, und
‐ indem sie die ‐ bestimmten Voraussetzungen unterliegende ‐ Befreiung von dieser Steuer ausschließlich griechischen Staatsangehörigen beim Erwerb ihrer ersten Wohnung in Griechenland gewährt und damit im Ausland Ansässige, die keine griechischen Staatsangehörigen sind, explizit diskriminiert.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 2
Art. 12 Abs. 1 EG bestimmt:
„Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.“
Rz. 3
Art. 18 Abs. 1 EG sieht vor:
„Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.“
Rz. 4
Art. 39 Abs. 1 bis 3 EG lautet:
„(1) Innerhalb der Gemeinschaft ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.
(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.
(3) Sie gibt ‐ vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen ‐ den Arbeitnehmern das Recht,
a) sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben;
b) sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen;
c) sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben;
d) nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Bedingungen zu verbleiben, welche die Kommission in Durchführungsverordnungen festlegt.“
Rz. 5
Art. 43 EG hat folgenden Wortlaut:
„Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines...