Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesellschaftsvertrag, beamtete Notare, Notargebühren als Steuern bei Abführungspflicht an den Staat

 

Leitsatz (amtlich)

Die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 ist dahin auszulegen, dass die Gebühren, die ein beamteter Notar für die notarielle Beurkundung eines unter diese Richtlinie in der geänderten Fassung fallenden Rechtsgeschäfts erhebt, eine Steuer im Sinne der Richtlinie darstellen, wenn nach den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften einerseits nicht ausschließlich beamtete Notare als Notare tätig werden können und diese selbst Gläubiger der betreffenden Gebühren sind und andererseits die beamteten Notare verpflichtet sind, einen Teil dieser Gebühren an den Staat abzuführen, der diese Einnahmen zur Finanzierung seiner Aufgaben verwendet.

 

Normenkette

EWGRL 335/69

 

Beteiligte

Längst u.a

Mathias Längst

SABU Schuh & Marketing GmbH

Präsident des Landgerichts Stuttgart

Bezirksrevisor des Landgerichts Stuttgart

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 07.04.2003; Aktenzeichen 19 T 288/02)

 

Tatbestand

„Richtlinie 69/335/EWG ‐ Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital ‐ Notarkosten ‐ Beamteter Notar ‐ An den Staat abgeführter pauschalierter Anteil der Gebühren“

In der Rechtssache C-165/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Landgericht Stuttgart (Deutschland) mit Entscheidung vom 7. April 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 10. April 2003, in dem Verfahren

Mathias Längst,

weitere Beteiligte:

SABU Schuh & Marketing GmbH,

Präsident des Landgerichts Stuttgart,

Bezirksrevisor des Landgerichts Stuttgart,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter R. Schintgen (Berichterstatter) und J. Makarczyk,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Herrn Längst,

‐ des Präsidenten des Landgerichts Stuttgart, vertreten durch K. Ehmann als Bevollmächtigten,

‐ des Bezirksrevisors des Landgerichts Stuttgart, vertreten durch G. Firnau, Bezirksrevisor,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing als Bevollmächtigten,

‐ der spanischen Regierung, vertreten durch E. Braquehais Conesa als Bevollmächtigten,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und K. Gross als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Januar 2005

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (ABl. L 156, S. 23) (im Folgenden: Richtlinie 69/335).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens auf Antrag von Herrn Längst, beamteter Notar im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart, aufgrund einer Anweisung des Präsidenten des Landgerichts Stuttgart, seines Dienstvorgesetzten, betreffend eine von ihm erstellte Kostenrechnung.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrechtliche Regelung

3

Mit der Richtlinie 69/335 soll, wie sich aus ihrer ersten Begründungserwägung ergibt, der freie Kapitalverkehr gefördert werden, der als eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Schaffung einer Wirtschaftsunion mit ähnlichen Eigenschaften wie ein Binnenmarkt angesehen wird.

4

Nach der sechsten Begründungserwägung dieser Richtlinie setzt die Verfolgung dieses Zweckes in Bezug auf die Besteuerung der Ansammlung von Kapital voraus, dass die bis dahin in den Mitgliedstaaten geltenden indirekten Steuern aufgehoben werden und an ihrer Stelle eine Steuer angewandt wird, die innerhalb des Gemeinsamen Marktes nur einmal und in allen Mitgliedstaaten in gleicher Höhe erhoben wird.

5

Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt:

„Der Gesellschaftsteuer unterliegen die nachstehenden Vorgänge:

a) die Gründung einer Kapitalgesellschaft;

b) die Umwandlung einer Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristischen Person, die keine Kapitalgesellschaft ist, in eine Kapitalgesellschaft;

c) die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art;

d) die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art, für die nicht Gesellschaftsrechte gewährt werden, die einen Anteil am Kapital oder am Gesellschaftsvermögen verkörpern, sondern Rechte, wie sie Gesellschaftern gewährt werden …

…“

6

Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben e bis h der Richtlinie 69/335 sieht vor, dass auch die Verlegung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung oder des satzungsmäßigen Sitzes einer Kapitalgesellschaft von einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat oder von einem Mitgliedstaat in einen anderen der Gesellschaftsteuer unterlieg...

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