Leitsatz
Leitsatz Ein geschlossener Immobilienfonds, für den interessierte Kapitalanleger mit dem Versprechen von Einkommensteuerminderungen durch Verlustzuweisungen geworben und nach dessen Ergebnisvorschau die Kapitaleinlagen im Wesentlichen durch Steuerersparnisse finanziert werden, ist jedenfalls dann als Verlustzuweisungsgesellschaft zu beurteilen, wenn der Fonds aufgrund einer absehbaren maßgebenden Überschuldung nicht dauerhaft überlebensfähig ist und (daher) mit einem Ausscheiden seiner Gesellschafter zu einem Zeitpunkt rechnen muss, zu dem nach der Konzeption des Fonds kein Gesamtüberschuss erzielt werden kann.
Normenkette
§ 2 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Eine KG hatte ein Einkaufszentrum erworben, das langfristig vermietet werden sollte. Die Initiatoren wandelten zu diesem Zweck die KG in eine Publikumsgesellschaft (geschlossener Immobilienfonds) um und warben eine Vielzahl von Kommanditisten mit der Aussicht auf hohe Verlustzuweisungen an. Nach der – auch aus dem Verkaufsprospekt erkennbaren – Finanzierungskonzeption des Fonds war davon auszugehen, dass auf einen Teil des Fremdkapitals keine Tilgung und auf einen weiteren Teil auch keine Zinsen gezahlt werden würden, da die vereinbarte Mindestmiete die laufenden Kosten des Fonds nicht decken würde. Zum Jahresende 1990 war den Anlegern das Recht eingeräumt worden, ihre Beteiligung gegen Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens in Höhe der Hafteinlage an einen Gründungsgesellschafter zu übertragen. Diese Zahlung war durch Bankbürgschaft abgesichert. Das Objekt wurde schließlich 1990 zwangsversteigert.
Das FA lehnte die begehrte Feststellung von Werbungskostenüberschüssen wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht ab.
Entscheidung
Dem folgte der BFH. Bei einer Gesellschaft muss die Überschusserzielungsabsicht sowohl auf der Ebene der Gesellschaft als auch auf der Ebene des einzelnen Gesellschafters gegeben sein.
Bei Verlustzuweisungsgesellschaften ist allerdings im Weg des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass sie bei ihrer Gründung zunächst keine Einkünfteerzielungsabsicht haben, sondern lediglich die Möglichkeit einer späteren Einkünfteerzielung in Kauf nehmen. Eine Einkünfteerzielungsabsicht kann daher i.d.R. erst von dem Zeitpunkt an angenommen werden, in dem sich die in Kauf genommene Möglichkeit der Erzielung eines Totalüberschusses so konkretisiert hat, dass mit großer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist.
Diese Voraussetzungen sah der BFH im Streitfall nicht als gegeben an, da die KG besonders risikobehaftet und nach ihrer konkreten Ausgestaltung nicht dauerhaft überlebensfähig gewesen sei. Denn das zugeführte Eigenkapital sei nicht ausreichend gewesen. Ferner habe die KG wegen des deshalb bestehenden konzeptionsimmanenten Risikos davon ausgehen müssen, dass die Kommanditisten Ende 1990 ausscheiden würden.
Ein Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO kam im Streitfall jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil im Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Feststellungsbescheide noch keine einheitliche Rechtsprechung vorgelegen hat. Der BFH hat sich vielmehr schrittweise mit der Beurteilung von Verlustzuweisungsgesellschaften befasst.
Hinweis
Bei einer Verlustzuweisungsgesellschaft besteht die tatsächliche Vermutung des Fehlens einer Einkünfteerzielungsabsicht. Nach dem BFH-Urteil vom 12.12.1995, VIII R 59/92 (BStBl II 1996, 219) kann für das Vorliegen einer Verlustzuweisungsgesellschaft insbesondere die Betätigung in einem spekulativen Bereich sprechen, z.B. bei Erdöl- und Erdgasexplorationen. Daran fehlte es an sich im Streitfall, da die KG ein Einkaufszentrum vermietete.
Der BFH bejahte gleichwohl eine Verlustzuweisungsgesellschaft, da die Vermietung im konkreten Fall besonders risikoreich war. Nach der Ausgestaltung war die KG wegen überhöhter Fremdfinanzierung nicht dauerhaft lebensfähig. Den ihr obliegenden Nachweis, langfristig Überschüsse zum Ausgleich der Verluste zu erzielen, konnte sie nicht erbringen. Aufgrund der den Anlegern eingeräumten Verkaufsoption war außerdem von Anfang an damit zu rechnen, dass diese noch während der Verlustphase "aussteigen" würden. Die Entscheidung entspricht den Grundsätzen der neueren Rechtsprechung (z.B. Urteile vom 14.2.1995, IX R 95/93, BStBl II 1995, 462, vom 18.12.1998, IX R 49/95, BStBl II 1999, 468, vom 5.9.2000, IX R 33/97, BStBl II 2000, 676). Mit der inzwischen eingetretenen Verschärfung nach § 2b EStG haben sich die Risiken für den Anleger noch erhöht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.11.2000, IX R 2/96