Leitsatz
Wird eine Fristverlängerung für die Abgabe einer Steuererklärung gewährt, steht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags weiterhin im Ermessen der Finanzverwaltung, sodass die Entscheidung zu begründen ist.
Sachverhalt
Der Kläger erzielte umsatzsteuerpflichtige Einkünfte aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage. Im Januar 2021 erließ das Finanzamt aufgrund der Nichtabgabe einer Erklärung für den Jahr 2018 einen Schätzbescheid und setzt zugleich einen Verspätungszuschlag von 200 EUR fest. Der Kläger wandte sich gegen diesen Verspätungszuschlag dem Grunde und der Höhe nach. Im Verlauf des Klageverfahrens reichte der Kläger eine Umsatzsteuererklärung 2018 ein, die zu einer verminderten Umsatzsteuer führte. Der Verspätungszuschlag blieb in unveränderter Höhe bestehen. Das Finanzamt wies darauf hin, dass nach der Rechtslage die Höhe des Verspätungszuschlags zutreffend sei, da dieser mindestens 25 EUR pro Monat betrage. Ein Ermessen bestehe nicht. Während des Klageverfahrens fragte der Richter beim Finanzamt nach, ob es zutreffend sei, dass aufgrund der Corona-Pandemie die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen 2018 tatsächlich rückwirkend bis zum 31.5.2020 verlängert worden sei. Dies wurde bestätigt.
Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Zwar sei es nach der Neufassung des § 152 AO grundsätzlich so, dass die Festsetzung eines Verspätungszuschlags nicht mehr im Ermessen der Finanzbehörde liege. Dies gelte aber nicht, wenn eine Abgabefrist für eine Steuererklärung – wie hier bis 31.5.2020 – verlängert wird. In diesen Fällen komme wieder die Grundregel des § 152 Abs. 1 AO zur Anwendung, die die Festsetzung eines Verspätungszuschlags in das Ermessen stelle. Eine Ermessensentscheidung müsse aber stets begründet werden. Auch wenn der Kläger hier die Steuererklärung nach Ablauf der Frist abgegeben hat, hätte die Finanzverwaltung die Festsetzung des Verspätungszuschlags begründen müssen. Da sie dies nicht getan hat, liege hier ein Fall des Ermessensnichtgebrauchs vor. Aufgrund dieses Ermessensfehlers sei die Festsetzung somit rechtswidrig.
Hinweis
Die seit einigen Jahren geltende Rechtslage bezüglich des Verspätungszuschlags weist einige Tücken auf. Zwar ist es so, dass in den allermeisten Fällen das Finanzamt einen solchen bei der verspäteten Abgabe einer Steuererklärung festsetzen muss und auch die Höhe des jeweiligen Zuschlags genau bestimmt wird. Dies gilt aber durchaus nicht immer, wie hier auch das beklagte Finanzamt erfahren musste. Dieses wandte § 152 Abs. 2 AO an, der den Grundsatz der verpflichtenden Festsetzung regelt. Allerdings verkannte das Finanzamt, dass aufgrund der Besonderheiten der Corona-Pandemie, die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen 2018 bis zum 31.5.2020 verlängert wurde. Bei einer solchen Verlängerung einer Frist gilt indes nach § 152 Abs. 3 AO wieder die Regelung des § 152 Abs. 1 AO, nach dem die Festsetzung eines Verspätungszuschlags im Ermessen der Finanzverwaltung liegt. Hier hätte die Finanzverwaltung einen Verspätungszuschlag gegen den Kläger festsetzen können, sie hätte diese Festsetzung aber begründen müssen. Da sie dies nicht getan hat, war die Festsetzung rechtswidrig. Insofern hat der Kläger hier Glück gehabt.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil v. 10.02.2022, 9 K 1547/21 U