Entscheidungsstichwort (Thema)
Vom Hauptzollamt mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitungsanlagen erzeugte schriftliche Pfändungs- und Überweisungsverfügungen auch ohne Unterschrift eines Amtsträgers wirksam
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass vom Hauptzollamt mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitungsanlagen über das IT-Verfahren „Elektronisches Vollstreckungssystem (eVS)” erzeugte schriftliche Pfändungs- und Überweisungsverfügungen, die im Briefkopf jeweils den Namen und die Anschrift des Hauptzollamts, den Namen des Bearbeiters, jedoch weder eine eigenhändige Unterschrift noch ein Dienstsiegel enthalten und jeweils mit dem Satz „Dieses Schriftstück ist ohne Unterschrift und ohne Namensangabe gültig” enden, nicht aufgrund der fehlenden Unterschrift eines Amtsträgers unwirksam sind.
2. § 309 Abs. 1 S. 2 AO verdrängt zwar die Regelung des § 119 Abs. 3 S. 3 AO insoweit, als es um die Zulässigkeit einer Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form geht. Das in § 309 Abs. 1 S. 1 AO enthaltene Schriftformerfordernis steht jedoch einem Rückgriff auf die Regelung in § 119 Abs. 3 S. 2 AO nicht entgegen.
Normenkette
AO § 309 Abs. 1 Sätze 1-2, § 119 Abs. 3 Sätze 1-2, § 124 Abs. 1 S. 2; BGB § 126; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist ein Kreditinstitut, das mit einer Klage vor dem Finanzgericht die Aufhebung zweier Pfändungs- und Einziehungsverfügungen des Antragsgegners begehrt.
Dem Klagebegehren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Antragsgegner (nachfolgend: das Hauptzollamt – HZA –) führt derzeit aufgrund entsprechender Vollstreckungsaufträge die Vollstreckung von Beitragsforderungen der Krankenkasse (Gläubigerin) gegen die A GmbH (Schuldnerin) durch. In diesem Zusammenhang hat das HZA zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen über das IT-Verfahren „Elektronisches Vollstreckungssystem (eVS)” erzeugt, diese über eine zentrale Druckstraße ausgedruckt und die förmliche Zustellung dieser mit dem Datum des 10. August 2017 und den Az. xxx sowie yyy versehenen Verfügungen (vgl. dazu Bl. 14-19 der FG-Akte) an die Antragstellerin veranlasst. Mit diesen beiden Verfügungen hat das HZA wegen Beitragsschulden der Schuldnerin in Höhe von xx,xx EUR bzw. xx,xx EUR deren Ansprüche gegen die Antragstellerin auf Zahlung der zu ihren – der Schuldnerin – Gunsten bestehenden Guthaben nach näherer Maßgabe des Inhalts dieser Verfügungen gepfändet und die Einziehung der gepfändeten Forderungen bis zur Höhe des in der jeweiligen Verfügung bezifferten Gesamtbetrages angeordnet. Die Verfügungen enthalten an die Antragstellerin gerichtet jeweils (auf den Seiten 2 unten und 3 oben)
- • das Verbot, an den Schuldner zu leisten oder bei einer Verfügung über dessen Ansprüche mitzuwirken, sowie
- • die Aufforderung, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung der Verfügung eine Drittschuldnererklärung abzugeben und sich dabei zu vier gestellten Fragen zu erklären.
Die der Antragstellerin ausweislich der beiden Zustellungsurkunden (HZA-Akte Bl. 55 und 71) am 12. August 2017 durch Einlegung in den zu deren Geschäftsräumen gehörenden Briefkasten zugestellten Ausfertigungen der beiden Verfügungen (als Anlagen K 1 der Klage- und Antragsschrift vom 14. November 2017 beigefügt) enthalten im Briefkopf jeweils den Namen und die Anschrift des HZA, den Namen des Bearbeiters, jedoch weder eine Unterschrift noch ein Dienstsiegel. Sie schließen jeweils mit dem Satz „Dieses Schriftstück ist ohne Unterschrift und ohne Namensangabe gültig”.
Nachdem die Antragstellerin dem HZA mit Schreiben vom 21. August 2017 mitgeteilt hatte, dass es die Verfügungen zwar erhalten habe, sie aber nicht beachten werde, weil sie weder unterzeichnet noch mit einem Siegel versehen seien, legte sie hiergegen mit weiterem Schreiben 12. September 2017 (beim HZA eingegangen am 14. September 2017) Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV).
Das HZA wies mit einheitlicher Entscheidung vom 17. Oktober 2017 zum einen den Einspruch gegen die beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 10. August 2017 zurück und lehnte zum anderen den hierauf bezogenen Antrag auf AdV ab.
Mit am 15. November 2017 eingegangenem Schreiben vom Vortag erhob die Antragstellerin gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung Klage und beantragte zugleich deren AdV. Zur Begründung ihres AdV-Antrags wendet sie im Wesentlichen ein, die streitbefangenen Verfügungen seien nicht wirksam, da die in § 309 Abs. 1 AO hierfür angeordnete Schriftform nicht eingehalten worden sei. Die Anforderungen der Schriftform seien in der auch im Rahmen der AO zu beachtenden Vorschrift des § 126 BGB geregelt. Danach müsse eine Urkunde, für die die Schriftform angeordnet ist, von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sein. Etwas anderes gelte auch nicht aufgrund § 119 Abs. 3 Satz 2 AO. Zwar enthalte die AO i...