Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung eines erneuten Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheids wegen ernstlicher Zweifel aus verfahrensrechtlichen Gründen

 

Leitsatz (redaktionell)

An der Rechtmäßigkeit eines erneuten Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheids bestehen aus verfahrensrechtlichen Gründen ernstliche Zweifel, wenn das Arbeitsamt die Kindergeldfestsetzung bereits durch einen früheren Bescheid wegen geringfügiger Überschreitung der Einkunftsgrenzen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG aufgehoben und zurückgefordert hatte und dieser Bescheid bestandskräftig ist.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2-3; EStG § 32 Abs. 4 S. 2

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob das Arbeitsamt zu Recht vom Antragsteller Kindergeld für die Monate Januar bis Dezember 1998 in Höhe von insgesamt 2.640 DM für seinen Sohn Richard wegen geringfügiger Überschreitung der Einkunftsgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zurückfordert.

Der im Jahr 1950 in der Ukraine geborene verheiratete Antragsteller ist von Beruf Bautechniker. Er ist seit 1987 arbeitslos. Nach einem Bescheid des Arbeitsamtes vom 26. Juli 2000 erhält er wöchentlich 314,44 DM Arbeitslosenhilfe. Gemeinsam mit seiner Ehefrau bewohnt er eine 55,5 m² große Wohnung in Lahr, für die er monatlich einschließlich Wasser und Heizung 482,25 DM bezahlt. Er hat zwei Söhne und zwar den am 19. September 1978 geborenen Sohn Richard und den am 26. Mai 1980 geborenen Sohn Martin. Letzterer befand sich in der Zeit vom 01. September 1997 bis zum 31. August 1999 bei einem Verkehrsunternehmen in Lahr in einer zweijährigen Ausbildung zum Bürokaufmann. Der ältere Sohn Richard absolvierte in der Zeit vom 01. August 1996 bis zum 31. Juli 1999 bei einem Autohaus in Lahr eine dreijährige Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann. Im Anschluss an die Ausbildung leisteten beide Söhne bis zum Herbst 2000 den Zivildienst ab.

Nach einer Bescheinigung seines Ausbildungsbetriebes vom 10. November 1997 erhielt der Sohn Richard für das Jahr 1998 eine (voraussichtliche) Ausbildungsvergütung in Höhe von insgesamt 14.197 DM. Das Arbeitsamt gewährte dem Antragsteller daraufhin für seinen Sohn Richard mit Bescheid vom 26. November 1997 für 1998 ein monatliches Kindergeld in Höhe von 220 DM und ab Januar 1999 monatlich 250 DM. Aus einer Ausbildungsbescheinigung vom 03. November 1998 ergibt sich für 1998 eine geringfügig höhere Ausbildungsvergütung von insgesamt 14.233,84 DM. Nach einer weiteren Bescheinigung seines Ausbildungsbetriebes vom 06. Mai 1999 erhielt der Sohn Richard im Jahr 1998 eine Ausbildungsvergütung in Höhe von insgesamt 14.407 DM und bis zum Abschluss seiner Lehrzeit für die Monate Januar bis Juli 1999 8.874 DM. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die erwähnten Ausbildungsbescheinigungen Bezug genommen (Kindergeldakte Bl. 172, 184 und 188).

Das Arbeitsamt kam zum Ergebnis, dass die Einkünfte des Sohnes Richard sowohl im Jahr 1998 als auch im Jahr 1999 den Grenzbetrag – bzw. anteiligen Grenzbetrag – des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von 12.360 DM für 1998 bzw. 13.020 DM für 1999 in folgendem Umfang überschritten haben:

1998

1999

DM

DM

Bruttolohn

14.407

8.874

./.

Arbeitnehmerpauschbetrag bzw. anteiliger Arbeitnehmerpauschbetrag für die Monate Januar bis Juli 1999

2.000

1.166

Einkünfte

12.407

7.708

Grenzbetrag bzw. anteiliger Grenzbetrag gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG

12.360

7.595

Überschreitung des Grenzbetrages bzw. anteiligen Grenzbetrages

47

113

Das Arbeitsamt hob die Kindergeldfestsetzung für 1998 und 1999 mit Bescheid vom 01. Juli 1999 auf und forderte vom Antragsteller das Kindergeld für 1998 in Höhe von insgesamt 2.640 DM und für die Monate Januar bis Juni 1999 in Höhe von insgesamt 1.500 DM zurück, so dass sich eine Gesamtrückforderung in Höhe von 4.140 DM ergab. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 20. Juli 1999 mit der Begründung Einspruch ein, er habe „diesen Fall nicht verursacht.” Er glaube nicht, dass der Gesetzgeber das Bundeskindergeldgesetz zu einem „Hinterhalt” für die Familien habe machen wollen. Er bitte darum, auf die Rückforderung zu verzichten, da seine Söhne den Zivildienst ableisteten, er selbst seit 1987 arbeitslos und mit Zahlungsverpflichtungen, Schulden und Problemen überschüttet sei. Er könne daher auch keine Ratenzahlung leisten.

Das Arbeitsamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 1999 als unbegründet zurück, auf die wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird (Kindergeldakte Bl. 227 ff.).

Dagegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 29. November 1999 Klage, die am selben Tag (einem Montag) bei Gericht einging und unter dem Aktenzeichen 14 K 222/99 beim erkennenden Senat anhängig war. Diese Klage nahm er mit Schreiben vom 22. Januar 2000 zurück.

Wenige Tage vor Ergehen der Einspruchsentscheidung hatte der Rechtsanwalt des Antragstellers mit Schreiben vom 18. Oktober 1999 beim Arbeitsamt Erlass der Kindergeldrückforderung beantragt, da der Antragsteller Arbeitslosenhilfe beziehe und die Rückforderung s...

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