Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von Kindergeld wegen Änderung der Verhältnisse nach § 70 Abs. 2 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Hatte ein ursprünglich Kindergeldberechtigter bereits im Jahr 1990 eine Arbeitnehmertätigkeit in der Schweiz aufgenommen und nach dortigem Recht Anspruch auf Kinderzulage, ohne dies der Familienkasse mitzuteilen, und hat die Familienkasse davon erstmals im Dezember 1997 Kenntnis erhalten, ist die Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG wegen Änderung der Verhältnisse aufzuheben.
2. Soweit der BFH mit Urteil vom 12.5.2000 VI R 100/99 (DStRE 2000, 1031) den Standpunkt vertritt, dass nach § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. von Art. 1 JStG 1996 das zuvor als Sozialleistung festgesetzte Kindergeld in der gewährten Höhe als nach den Vorschriften des EStG festgesetzte Steuervegütung gilt, und deshalb die maßgeblichen Änderungen gemäß § 70 Abs. 2 EStG nach dem 1. Januar 1996 eingetreten sein müssen, kann sich der Senat dem nicht anschließen.
Normenkette
EStG § 70 Abs. 2, § 65 Abs. 1 Nr. 2, § 78 Abs. 1, § 68 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zum einen, ob der Kläger rechtzeitig gegen den Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 1996 bis Dezember 1997 Einspruch eingelegt hat, zum anderen, ob die Voraussetzungen nach § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) vorgelegen haben.
Der Kläger ist verheiratet und hat mit seiner Ehefrau drei gemeinsame Kinder, Martina geb. am 22. September 1970, Melanie geb. am 26. Januar 1974 und Cornelia geb. am 12. November 1981. Seit 01. März 1990 ist der Kläger in der Schweiz als Arbeitnehmer beschäftigt. Seither bezog er zu Unrecht Kindergeld in Deutschland, da er in der Schweiz nach dortigem Recht Anspruch auf Kinderzulage hatte.
Ausweislich der Akten erhielt das beklagte Arbeitsamt Kenntnis von dem Arbeitsverhältnis des Klägers in der Schweiz durch Schreiben des Finanzamts … vom 12. Dezember 1997. Das Arbeitsamt hob daraufhin mit Bescheid vom 24. Dezember 1997 unter Hinweis darauf, dass der Kläger vorrangig Anspruch auf Kinderzulage nach in der Schweiz geltenden Rechtsvorschriften habe, die Kindergeldfestsetzung ab Januar 1998 auf. Sodann forderte es mit Bescheiden vom 29. Oktober 1998, und zwar
- mit „Aufhebungs- und Erstattungsbescheid Kindergeld – Nr. 086495/6127” das ausbezahlte Kindergeld für den Zeitraum März 1990 bis Dezember 1995 in Gesamthöhe von 21.420 DM sowie
- mit „Bescheid über Aufhebung der Kindergeldfestsetzung KG – Nr. 617/086495” das ausbezahlte Kindergeld für den Zeitraum Januar 1996 bis Dezember 1997 in Gesamthöhe von 10.080 DM
zurück.
Mit Schreiben vom 16. November 1998 legte der Kläger Einspruch ein, wobei er im Betreff ausführte, „KG – Nr. 617/086495 – Kindergeld Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. Oktober 98”. In dem Schreiben machte er u. a. geltend, dass überhaupt nur Zahlungen, die nach dem 30. September 1996 bezahlt worden seien, zurückverlangt werden können. Die Rückforderungssumme dürfe daher 6.480 DM nicht übersteigen.
Das Arbeitsamt beurteilte das Einspruchsschreiben als Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid bezüglich der Kindergeldfestsetzungen März 1990 bis Dezember 1995 und wies diesen als unbegründet zurück. Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht … einigten sich die Beteiligten dahingehend, dass den Kläger hinsichtlich der Verletzung der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit treffe (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 2 des 10. Buches Sozialgesetzbuch – SGB X – i.V.m § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I), weswegen das beklagte Arbeitsamt sich bereit erklärte, die Rückforderung um 10.000 DM auf 11.420 DM zu reduzieren (Niederschrift vom 31. Januar 2000).
Mit Schreiben vom 02. Februar 2000 wandte sich der Kläger an das Arbeitsamt bezüglich des Rückforderungsanspruches für die Monate Januar 1996 bis Dezember 1997 und schlug vor, nach Maßgabe der beim Sozialgericht getroffenen Regelung zu verfahren und ihm entsprechend 5.020 DM zurück zu erstatten.
Das Arbeitsamt wertete das Schreiben vom 02. Februar 2000 als erstmaligen Einspruch gegen den – weiteren hier streitigen – Bescheid vom 29. Oktober 1998 betreffend die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung Januar 1996 bis Dezember 1997 und wies diesen mit Einspruchsentscheidung vom 15. März 2000 wegen Fristversäumnis als unzulässig zurück.
Hiergegen richtet sich die am 21. März 2000 bei Gericht eingegangene Klage, mit der sich der Kläger zum einen dagegen wendet, dass sein Schreiben vom 16. November 1998 nicht zugleich als Einspruch gegen den Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld für den Zeitraum Januar 1996 bis Dezember 1997 beurteilt wird. Zum anderen hält er daran fest, dass entsprechend der früheren Rechtslage auch nach § 70 Abs. 2 EStG eine Aufhebung nur dann hätte erfolgen können, wenn er seine Mitwirkungspflichten grob fahrlässig verletzt haben würde. Darüber hinaus hält er § 70 Abs. 2 EStG auch aus e...