Entscheidungsstichwort (Thema)
DBA Schweiz. Besteuerung eines in Deutschland ansässigen, für eine schweizer Kapitalgesellschaft in Drittländern tätiger leitender Angestellter
Leitsatz (redaktionell)
Die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft wird nach der Tätigkeitsfiktion des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 auch dann in der Schweiz ausgeübt, wenn sie tatsächlich überwiegend, aber nicht ausschließlich außerhalb der Schweiz verrichtet wird, so dass auch die Einkünfte aus Tätigkeiten in Drittländern der schweizerischen Besteuerung unterliegen.
Normenkette
DBA CHE 1992 Art. 15 Abs. 4, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d, Art. 15a, 4 Abs. 2, 4; EStG § 1 Abs. 1 S. 1, § 32b; AO §§ 8-9
Nachgehend
Tenor
1. Die zuletzt ergangenen Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000, jeweils vom 19. Dezember 2003 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2005, werden dahingehend abgeändert, dass die Bruttoarbeitslöhne i.H.v. 190.618 DM im Jahre 1999 und 210.717 DM für 2000 unter Anwendung des Progressionsvorbehaltes nach § 32 b EStG steuerfrei gestellt und die Einkommensteuer dieser Jahre dementsprechend herabgesetzt wird. Die Berechnung wird dem beklagten Finanzamt übertragen.
2. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
3. Das beklagte Finanzamt trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Das Urteil wird im Kostenausspruch für vorläufig vollstreckbar erklärt. Ermöglicht die Entscheidung über die Kosten eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1500 EUR, hat der Kläger Sicherheit in Höhe der für ihn festgesetzten Kostenerstattung zu leisten. Im Übrigen kann der Beklagte die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der für ihn festgesetzten Kostenerstattung leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob die für Tätigkeiten des Klägers in Drittstaaten erhobene Einkommensteuer (ESt) rechtmäßig festgesetzt wurde.
Der Kläger war mit 25 Prozent an der Firma T AG mit Sitz in X in der Schweiz beteiligt. Seine Beteiligung betrug 4.250.000 Sfr am Nominalkapital i.H.v. 17.000.000 Sfr. Mit den restlichen 75 Prozent war der Konzern V U AG in U beteiligt. Der Kläger war Geschäftsführer der T AG.
Der Kläger wohnte mit seiner als Hausfrau tätigen Ehefrau in einem Einfamilienhaus in R-Y. Von den vier Kindern der Eheleute wohnte im Streitjahr noch die 1979 geborene Tochter L dort. Diese befand sich in den Streitjahren 1999 und 2000 noch in Ausbildung. Die Ehefrau des Klägers erkrankte schwer und verstarb am 29. Oktober 2002. Der Kläger unterhielt seit August 1978 eine Wohnung in C, da er eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung in der Schweiz hatte. Er wurde in der Schweiz auch mit seinem Gesamtgehalt besteuert.
Die Entfernung zwischen dem Wohnort des Klägers in Y und seiner Arbeitsstätte in X beträgt ca. 36 km, die von Y zu seinem Zweitwohnsitz nach C rund 31 km. Das beklagte Finanzamt (FA) stellte den Kläger in den Vorjahren von der Besteuerung frei. Mit den am 22. Mai 2001 für 1999 und am 1. Februar 2002 für 2000 abgegebenen Einkommensteuererklärungen erklärte der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 601.304 DM für 1999 und 672.105 DM für 2000, die er in vollem Umfang als steuerfrei betrachtete, da der Schweiz das Besteuerungsrecht zustehe. Nachdem das beklagte FA die Auffassung vertreten hatte, der Mittelpunkt der Lebensinteressen sei in der Bundesrepublik, ferner sei der Kläger als Grenzgänger zu behandeln und die erforderliche Anzahl von Nichtrückkehrtagen sei nicht nachgewiesen, wurden die Argumente intensiv ausgetauscht. Dabei machte der Kläger insbesondere geltend, er sei als Chemiker verpflichtet, in unmittelbarer Nähe der T AG zu wohnen und sich in Rufbereitschaft zu halten, da die T AG ein chemischer Betrieb sei und Reaktoren auch über Nacht liefen. Außerdem machte er geltend, dass er in erheblichem Umfang Dienstreisen in Drittländer, nämlich die USA, Türkei, Spanien sowie sonstige Länder gemacht habe.
Schließlich verständigten sich die Beteiligten in einer Besprechung vom 21. Oktober 2003 mit dem Vorsteher des beklagten FA wegen der umfangreichen Reisetätigkeit des Klägers in tatsächlicher Hinsicht dahingehend, dass in den Jahren 1999 und 2000 bei insgesamt 250 Arbeitstagen pro Jahr jeweils 80 Nichtrückkehrtage vorlagen. Die Beteiligten waren sich darüber einig, dass insoweit nicht die Grenzgängerregelung nach Art. 15 a DBA, sondern die Sondervorschrift für leitende Angestellte nach Art. 15 Abs. 4 DBA zur Anwendung kommt.
Zur Frage des Mittelpunktes der Lebensinteressen blieben die Auffassungen unterschiedlich. Der Kläger trug hierzu vor, dass die jüngste Tochter L 1998 ihre Ausbildung begonnen habe. Ab diesem Zeitpunkt hätten sich die Eheleute vermehrt in der Schweiz aufgehalten. Etwa zu diesem Zeitpunkt habe auch seine Ehefrau eine Aufenthaltsbewilligung B beantragt und später dann auch erhalten. Er...