Entscheidungsstichwort (Thema)

Eintägige Geschäftsreisen in Drittstaaten keine Nichtrückkehrtage i. S. d. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Fährt der in Deutschland wohnhafte Steuerpflichtige an 230 Tagen von seinem Wohnort zu seinem Arbeitsort in der Schweiz mit dem eigenen PKW hin und zurück, so dass an jedem Arbeitstag die Grenze in beide Richtungen überschritten und damit regelmäßig und nicht nur gelegentlich die Grenze überquert wird, unterliegt der Steuerpflichtige als Grenzgänger i.S. v. Art. 15a DBA-Schweiz der deutschen Besteuerung.

2. Unternimmt der Steuerpflichtige von seinem Arbeitsort in der Schweiz eintägige Geschäftsreisen in einen Drittstaat und kehrt er nach Beendigung seiner Tätigkeit wieder zu seinem regelmäßigen Arbeitsort zurück bzw. sucht anschließend seinen Wohnort in der Bundesrepublik Deutschland auf, führt dies nicht zum Wegfall der Grenzgängereigenschaft des Steuerpflichtigen. Diese würde nur entfallen, wenn der Kläger „an mehr als 60 Tagen auf Grund seiner Arbeitausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist” (Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz).

 

Normenkette

DBA CHE 1971/2010 Art. 15a Abs. 2 S. 2; DBA CHE Art. 15 Abs. 4

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute, die für die Veranlagungszeiträume 1996 und 1997 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Kläger haben ihren Wohnsitz in G. Der Kläger ist von Beruf Dipl. Ingenieur.

Der 1937 geborene Kläger arbeitete seit dem … 1986 bis zu seiner Pensionierung zum … 2001 bei der … AG (im folgenden: … AG bzw. Arbeitgeberin – im übrigen Hinweis auf das Schreiben der … AG vom 14. Juni 2007 als Anlage zum Schreiben des Klägers vom 25. Juni 2007 –) in der Schweiz (vgl. den auch noch für die Streitjahre im wesentlichen verbindlichen Arbeitsvertrag vom 20. November 1985 – s. die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 15. Juni 2007). Seine regelmäßige Arbeitsstätte war die Zentralstelle der … AG (Division Vitamine und Feinchemikalien) in A (Kanton Aargau).

Zur Stellung des Klägers bei der … AG in den Streitjahren hat der erkennende Senat die im folgenden wiedergegebenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen getroffen: Durch Beschluss des Verwaltungsrates der … AG vom 23. April 1990 (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 14. Mai 2008) wurde der Kläger zum Prokuristen ernannt [Hinweis auf Art. 716 a Abs. 1 Nr. 4 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) – im folgenden: OR – und Art. 721 OR; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern, 1996, § 30 Rn. 46] und zwar – wie in der Schweiz üblich bei Großgesellschaften (wie der … AG) – zum Kollektivprokuristen (wonach die Unterschrift des einzelnen Prokuristen ohne die Mitwirkung weiterer Unterschriftsberechtigter nicht verbindlich ist: vgl. hierzu: Watter in: Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, 4. Aufl., 2007, Zürich – im folgenden: BSK OR I-Bearbeiter – Art. 460 Rn 7–11) und als solcher auch im zuständigen Handelsregister des Kantons Basel-Stadt Hauptregister eingetragen (S. … oben des Registerauszugs vom … als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 25. Juni 2007 – Auszüge aus dem Schweizerischen Handelsregister können auch über www.moneyhouse.ch eingesehen werden –), wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Handelsregistereintragung keine konstitutive Wirkung hat, d.h. der Bestand der Vertretungsberechtigung vom Eintrag unabhängig ist (Art. 720 OR; Homburger in: Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, Obligationenrecht, Zürich 1997, Teilband V 5 b Art. 718 Rn. 1149). Jedoch besteht gemäß Art. 720 OR die Verpflichtung für den Verwaltungsrat der Aktiengesellschaft, die zur Vertretung befugten Personen in das Handelsregister anzumelden (unter Vorlegung einer beglaubigten Abschrift des Konstituierungsbeschlusses).

Aus Art. 721 OR („Der Verwaltungsrat kann Prokuristen und andere Bevollmächtigte ernennen.”) folgt, dass alle Zeichnungsberechtigungen – einschließlich der nicht im Schweizerischen Handelsregister einzutragenden/eintragbaren Handlungsvollmacht (Art. 462 OR; BSK OR I-Watter, 4. Aufl., 2007, Art. 462 Rn. 3) – durch den Gesamtverwaltungsrat zu erteilen sind (durch einen sog. Konstituierungsbeschluss – Watter in: Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht Obligationenrecht II 2. Aufl., 2002 [im folgenden: BSK OR II-Bearbeiter] Art. 718 Rn. 17). Dies wird bei Großgesellschaften – wie z.B. der … AG –, in denen jährlich Hunderte von Zeichnungsberechtigungen (Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O., § 30 Rn. 85) zu erteilen sind, als unsinnig angesehen (Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O., § 29 Rn. 64; BSK OR II-Watter, a.a.O., Art. 716 a Rn. 16), ist vom Schweizerischen Gesetzgeber aber offenbar bewusst so gewollt (vgl. Botschaft 182 zitiert bei: Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O. § 29 Fn. 11;...

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