rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung eines in Deutschland ansässigen und für eine Schweizerische Kapitalgesellschaft auch in Drittstaaten tätigen leitenden Angestellten
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Grenzgängereigenschaft i. S. des Art. 15a Abs. 1 S. 1 DBA-Schweiz ist auch dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer in Drittstaaten seiner Tätigkeit nachgegangen ist, aber im übrigen die Grenze mehr als nur gelegentlich über das Kalenderjahr regelmäßig verteilt täglich überquert hat.
2. Als Nichtrückkehrtage, die die Grenzgängereigenschaft entfallen lassen, gelten auch Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer aus einem Drittstaat nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt.
3. Die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine Schweizerische Kapitalgesellschaft wird in der Schweiz ausgeübt, wenn nicht eine abgegrenzte Tätigkeit vorliegt, die lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst.
4. Ein Arbeitnehmer, dem Gesamtprokura erteilt wurde, ist leitender Angestellter i. S. des Art. 15 Abs. 4 S. 1 DBA-Schweiz; dies gilt aufgrund der Fiktion des Tätigkeitsorts unabhängig davon, ob der leitende Angestellte auch in einem Drittstaat tätig geworden ist.
5. Das Besteuerungsrecht hinsichtlich einer in einem Drittstaat ausgeübten Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen und für eine Schweizerische Kapitalgesellschaft tätigen leitenden Angestellten bestimmt sich nicht nach dem DBA-Schweiz, sondern nach dem mit dem jeweiligen Drittstaat abeschlossenen DBA, im Streitfall dem DBA-China.
Normenkette
DBA CHE Art. 15a Abs. 1, Art. 2 S. 2, Art. 15 Abs. 4, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1, Art. 3 Abs. 2; DBA-China Art. 15 Abs. 2 Buchst. c
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheides vom 16. August 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Dezember 2004 wird die Einkommensteuer auf 12.647 DM festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung von mehr als 1.500 EUR, darf die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute, die für den Veranlagungszeitraum 1999 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Kläger haben ihren Wohnsitz in X. Der Kläger ist von Beruf Dipl. Ingenieur.
Der am 5. Juni 1937 geborene Kläger arbeitete seit dem 1. Januar 1986 bis zu seiner Pensionierung zum 31. Mai 2001 bei der … AG (im folgenden: H-AG bzw. Arbeitgeberin – Hinweis auf das Schreiben der H-AG vom 14. Juni 2007 als Anlage zum Schreiben des Klägers vom 25. Juni 2007 –) in der Schweiz (vgl. den auch noch für die Streitjahre im wesentlichen verbindlichen Arbeitsvertrag vom 20. November 1985 – s. die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 15. Juni 2007 –). Seine regelmäßige Arbeitsstätte war die Zentralstelle der H-AG (Division …) in Y (Kanton Z). Dort arbeitete der Kläger außerhalb der Zeiten im Streitjahr, in denen er in der Volksrepublik China tätig war (siehe hierzu die später folgenden Feststellungen).
Durch Beschluss des Verwaltungsrates der H-AG vom 23. April 1990 (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 14. Mai 2008) wurde der Kläger zum Prokuristen ernannt [Hinweis auf Art. 716a Abs. 1 Nr. 4 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) – im folgenden: OR – und auf Art. 721 OR; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern, 1996, § 30 Rn. 46] und zwar – wie in der Schweiz generell üblich bei Großgesellschaften (wie der H-AG) – zum Kollektivprokuristen (bei dem die Unterschrift des einzelnen Prokuristen ohne die Mitwirkung weiterer Unterschriftsberechtigter nicht verbindlich ist: vgl. hierzu: Watter in: Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, 4. Aufl., 2007, Zürich – im folgenden: BSK OR I-Bearbeiter – Art. 460 Rn. 7-11) und als solcher auch im zuständigen Handelsregister des Kantons T Hauptregister eingetragen (S. 7 oben des Registerauszugs vom 5. Dezember 1995 als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 25. Juni 2007 – Auszüge aus dem Schweizerischen Handelsregister können auch über www.moneyhouse.ch eingesehen werden –). Der Verwaltungsrat der H-AG ist demzufolge seiner Verpflichtung gemäß Art. 720 OR nachgekommen, die zur Vertretung befugten Personen zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (unter Vorlegung einer beglaubigten Abschrift des (Konstituierungsbeschlusses – vgl. hierzu: BSK OR II-Watter Art. 718 Rn 17).
Aus Art. 721 OR („Der Verwaltungsrat ...