Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzungszinsen bei Rücknahme des Einspruchs. Inhalt einer tatsächlichen Verständigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Aussetzungszinsen entstehen auch dann, wenn der Steuerpflichtige mit seinem Vorhaben zwar durchdringt, seinen Einspruch aber trotzdem zurücknimmt, da gegen zu seinen Gunsten begangene Fehler saldiert und die Steuerfestsetzung verbösert werden kann.
2. Durch eine tatsächliche Verständigung kann nur über den der Steuerfestsetzung zugrundeliegenden Sachverhalt, nicht jedoch über Rechtsfragen und die Forderung von Aussetzungszinsen befunden werden
Normenkette
AO § 237 Abs. 1, §§ 85, 173, 361, 367 Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (Bekl) Aussetzungszinsen gegen die Kläger (Kl) festsetzen konnte.
Die Kl reichten am 08. Oktober 2008 ihre gemeinsame Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für 2007 beim Bekl ein. Mit ESt-Bescheid vom 10. März 2009 setzte der Bekl für 2007 eine ESt in Höhe von 6.180 EUR fest.
Hiergegen richtete sich der Einspruch der Kl vom 14. April 2009 (Bl. 59 und 60 der Rechtsbehelfsakten des Bekl). Am 10. August 2009 erließ der Bekl einen nach § 173 Abs.1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten ESt-Bescheid für 2007, mit dem die ESt für die Kl auf 10.612 EUR erhöht wurde.
Gegen diesen ESt-Bescheid legten die Kl mit Schreiben vom 18. August 2009 erneut Einspruch ein. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass dem Bekl keine neuen Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 173 AO bekannt geworden seien, weshalb der angegriffene Bescheid ersatzlos aufzuheben sei.
Nach weiterem Schriftverkehr zwischen den Beteiligten teilte der Bekl in einem Schreiben vom 11. November 2009 an die Kl unter Ziffer 2 Folgendes mit:
„Eine Überprüfung Ihres Antrags ergab, dass im Streitfall die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht gegeben sind. Somit ist die Gewinnerhöhung in Höhe von 15.070 EUR, die infolge der Auflösung der in 2005 gebildeten Anspar-AfA zzgl. der Verzinsung entstanden ist, zurückzunehmen. Auf beiliegende Aussetzungsverfügung vom 11.11.2009 wird verwiesen.”
Unter der Ziffer 3. des vorgenannten Schreibens führte der Bekl u.a. weiter aus:
„Dagegen sind entgegen Ihres Vortrags die erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von ./. 343 EUR nicht um weitere Betriebsausgaben in Höhe von ./. 1.777 EUR zu erhöhen. Vielmehr haben sich im Rahmen der voll umfänglichen Prüfung ihres Einspruchs gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO folgende Feststellungen ergeben…”
Wegen der danach folgenden Ausführungen zur materiellen Rechtslage im einzelnen unter Ziffer 3. a bis h wird auf das Schreiben des Bekl Bezug genommen (Bl. 109 und 110 der Rechtsbehelfsakten des Bekl).
Das Schreiben des Bekl vom 11. November 2009 endet wie folgt:
„Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm die Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern (§ 367 Abs. 2 AO).
Aus vorgenannten Gründen würde sich unter Berücksichtigung der Feststellungen zu Tz. 3 eine Nachforderung von 2.980 EUR bzw. von 756 EUR ergeben. Auf die Verzinsung nach § 233a AO wird hingewiesen.
Ich weise Sie darauf hin, dass eine Nachforderung unterbleibt, sofern Sie Ihren Einspruch innerhalb von drei Wochen zurücknehmen sollten. Andernfalls wird über Ihren Einspruch nach Aktenlage entschieden.”
Nach weiterem Austausch von Schreiben teilte der Bekl den Kl am 19. Mai 2010 (Bl. 128 der Rechtsbehelfsakten des Bekl) u.a. nach Hinweis auf § 367 Abs. 2 AO Folgendes mit:
„Aus vorgenannten Gründen und unter Berücksichtigung der Stellungnahme vom 11.11.2009 würde sich ein Gewinn in Höhe von 31.629 EUR und damit eine Nachforderung von 5.585 EUR ergeben zzgl. der Annexsteuern. Auf die Verzinsung nach § 233a AO wird verwiesen.
Ich weise Sie darauf hin, dass eine Nachforderung unterbleibt, sofern Sie Ihren Einspruch innerhalb von drei Wochen zurücknehmen sollten.”
Mit Schreiben vom 02. Juni 2010 kreuzten die Kl auf dem ihnen vom Bekl übersandten Vordruck an, dass sie den Einspruch gegen den ESt-Bescheid 2007 hiermit zurücknehmen würden. Sie fügten handschriftlich noch an, dass sie nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage ihre Rechtsansicht aufrechterhalten würden, wie sie sie in der Einspruchsbegründung dargelegt hätten.
Mit Schreiben vom 03. August 2010 wies der Bekl u.a. darauf hin, dass die Kl mit ihrer Antwort vom 02. Juni 2010 „zwar den Einspruch zurückgenommen hätten, sie dennoch ihren Einspruch aufrecht erhielten”. Sie erhielten deshalb letztmals Gelegenheit, sich bis zum 20. August 2010 zu äußern; bei Rücknahme des Einspruchs würde eine Nachforderung unterbleiben (Bl. 131 der Rechtsbehelfsakten des Bekl).
Mit Schreiben vom 12. August 2010 antworteten die Kl dahingehend, dass der Einspruch geg...