Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit einer einem Großbetrieb bzw. Konzernunternehmen erst eine Woche vor dem Prüfungsbeginn bekanntgegebenen Prüfungsanordnung. Beginn der Außenprüfung trotz Hausverbots für die Prüfer durch Anforderung von Unterlagen. Ablaufhemmung durch Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer rechtmäßigen Prüfungsanordnung. kein Verschulden des Finanzamts an einer mehr als sechsmonatigen Unterbrechung der Außenprüfung bei verweigertem Zutritt zum Betrieb. vermeintliche Befangenheit des Prüfers nicht selbstständig anfechtbar. Prüfungsanordnung nicht „unverhältnismäßig” wegen noch laufender Betriebsprüfung für frühere Jahre

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ungeachtet der Regelung in § 5 Abs. 4 BpO, wonach einem Großbetrieb eine Prüfungsanordnung vier Wochen vor dem Prüfungsbeginn bekanntgegeben werden soll, kann auch eine Frist von nur einer Woche anmessen sein, wenn bei dem Großbetrieb bereits eine Außenprüfung für andere (frühere) Veranlagungszeiträume durchgeführt wird und daher davon auszugehen ist, dass für die mit der streitigen Prüfungsanordnung angeordnete Prüfung weiterer Zeiträume (hier: Folgejahre zu der gerade laufenden, nicht abgeschlossenen Prüfung) keine solchen Vorkehrungen erforderlich sind, die mehr als die dem Großbetrieb eingeräumte Vorbereitungsfrist von einer Woche erfordern würden.

2. Hält ein Großbetrieb eine erst eine Woche vor dem Prüfungsbeginn bekanntgegebene Prüfungsanordnung für rechtswidrig und verweigert er deswegen den Außenprüfern unter Aussprechung eines Hausverbots den Zutritt zum Betrieb und die unmittelbare Sichtung der Buchhaltung vor Ort, so ist von einem zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO führenden „Beginn der Außenprüfung” auszugehen, wenn zum einen die Prüfungsanordnung tatsächlich rechtmäßig ist und zum anderen die Prüfer vor Ort bei dem Betrieb erschienen sind und in den Hausbriefkasten eine umfangreiche Liste mit Auskunftsverlangen, Anfragen und Anforderungen von Unterlagen zu dem streitigen Prüfungszeitraum eingeworfen haben.

3. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer Prüfungsanordnung steht einem Antrag auf Verlegung des Beginns der Außenprüfung i. S. des § 197 Abs. 2 AO gleich, wenn der Verwaltungsakt, mit dem der Prüfungsbeginn festgesetzt wurde, rechtmäßig war, und begründet daher eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alt. AO (Verschiebung der Außenprüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen).

4. Um der Gefahr zu begegnen, dass die Duldung der Aufnahme der Außenprüfung als konkludenter Verzicht auf die Einhaltung einer angemessenen Frist im Sinne des § 197 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO gewertet wird, muss ein Betrieb nicht die Aufnahme der Prüfungstätigkeit durch die Betriebsprüfer des Finanzamts verhindern, sondern dazu genügt eine ausdrückliche Erklärung mit dem Inhalt, dass die Durchführung der Außenprüfung nur in Erfüllung der durch die Prüfungsanordnung begründeten Duldungspflicht und zur Abwendung einer zwangsweisen Durchsetzung der Duldungspflicht hingenommen wird. Hat der Betrieb aber stattdessen durch ein Hausverbot die weitere Durchführung der Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn verhindert, so hat er, und nicht das Finanzamt, eine Unterbrechung der Prüfung von mehr als sechs Monaten i.S. von § 171 Abs. 4 S. 2 AO zu vertreten.

5. Die Festlegung der Person des Betriebsprüfers kann grundsätzlich weder selbstständig noch im Verfahren gegen die Prüfungsanordnung angefochten werden. Der Adressat der Prüfungsanordnung kann danach die Befangenheit des Amtsträgers, der an einem Steuerbescheid mitgewirkt hat oder dessen Erkenntnisse Grundlage eines Steuerbescheids sind, nur als Verfahrensfehler im Rechtsbehelfsverfahren zur Aufhebung dieses Verwaltungsakts geltend machen.

6. Die Prüfungsanordnung ist nicht wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz rechtswidrig, weil eine früher angeordnete Außenprüfung für frühere Besteuerungszeiträume bei Erlass der streitigen Prüfungsanordnung noch nicht abgeschlossen war; eine Abhängigkeit der Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung von dem Abschluss einer Außenprüfung für Vorjahre besteht nicht.

 

Normenkette

AO § 83 Abs. 1 S. 1, §§ 118, 171 Abs. 4 Sätze 1-2, § 197 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2, § 193 Abs. 1, § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 200 Abs. 3 S. 2; BpO § 5 Abs. 4 Sätze 1-2; GG Art. 13

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung (PA) des Beklagten (Bekl) vom 11. Dezember 2006 sowie der Festlegung des Prüfungsbeginns auf den 18. Dezember 2006.

Die Klägerin (Klin) erzielt u.a. Einkünfte aus der Verpachtung von Grundstücken. Seit dem Jahr 2002 führt der Bekl bei der Klin eine Außenprüfung (AP) für die Jahre 1996 bis 2000 durch. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Am 30. Oktober 2006 verfügte er den Erlass einer PA, wonach die Umsatzsteuer für die Jahre 2001 bis 2004 geprüft werden sollte. Als voraussichtlicher Beginn der Prüfung war der 11....

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