Entscheidungsstichwort (Thema)
DBA-Schweiz. Grenzgängereigenschaft eines in der Schweiz Teilzeit beschäftigten Arztes mit Rufbereitschaft (Pikettdienst)
Leitsatz (redaktionell)
1. Arbeitstage i. S. d. Art. 15a DBA-Schweiz sind die in dem Arbeitsvertrag vereinbarten Tage. Allein der Hinweis auf eine Teilzeitbeschäftigung von 80 % und eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden führt nicht zu einer anteiligen Kürzung der Nichtrückkehrtage, wenn aus den vorgelegten Arbeitsverträgen zu schließen ist, dass sich die berufliche Tätigkeit auf 100 % der Wochenarbeitszeit erhöhen kann und die Arbeitszeit nicht auf einzelne Tage der Woche beschränkt ist, so dass sich der Steuerpflichtige nicht nur tageweise im anderen Staat aufgehalten hat.
2. Ein beruflich bedingter Nichtrückkehrtag ist nicht gegeben, wenn ein Arzt über die Tagesgrenze hinaus Rufbereitschaft hat und ihm nach dem Ende des Rufdienstes eine Rückkehr an den inländischen Wohnsitz zumutbar ist. Dies gilt auch dann, wenn der Pikettdienst keine Arbeitszeit ist.
3. Das FG ist weder an die Bescheinigung des Schweizer Arbeitgebers über die Nichtrückkehrtage noch an die Würdigung der Schweizer Steuerbehörden gebunden, auch wenn die Folge eine Doppelbesteuerung ist. Ob und inwieweit die nicht im Inland erzielten Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen zugleich in einem ausländischen Staat der Besteuerung unterworfen werden, bleibt für die inländische Steuerpflicht grundsätzlich ohne Bedeutung.
4. Hat die Schweiz eine vom DBA nicht gedeckte Besteuerung vorgenommen, ist dies nicht in der Weise auszugleichen, dass die überhöhte Schweizer Steuer im Inland voll angerechnet wird.
Normenkette
DBA CHE Art. 15a Abs. 1-3; Verhandlungsprotokoll zum DBA-Schweiz Nr. II. 4
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger (Kl) wohnten in den Streitjahren in X, Deutschland. Im März 2010 zogen sie in die Schweiz. Der Kl arbeitet seit Dezember 2006 als Arzt und seit 1. Juni 2007 als stellvertretender Chefarzt für Anästhesie und Schmerzintervention am etwa 40 Kilometer vom früheren Wohnort in Deutschland entfernten Th-Spital Y, Schweiz, jeweils in Teilzeit und zwar zu 80 % (= 40 Stunden pro Woche). Sein bis zum 31. Mai 2007 geltender Arbeitsvertrag sah vor, dass er Aufgaben nach Weisungen des Leitenden Arztes zu leisten habe und ein überdurchschnittliches Engagement mit einer Woche Freizeit pro Kalenderjahr abgegolten werde. Gemäß seinem Arbeitsvertrag vom 6. April 2007 war er mit Wirkung ab 1. Juni 2007 weiterhin in Teilzeit zu 80 % beschäftigt und fest eingeteilt im Bereich „OPS”. Sein Arbeitspensum konnte sich jedoch bei Vertretungen von Fall zu Fall bis auf 100 % erhöhen. Darüber hinaus war vereinbart eine
„gleichmässige Beteiligung am Rufdienst (Nacht- und Wochenende) mit den Kolleginnen und Kollegen” als „Arbeitszeit”.
Für den Rufdienst erhielt der Kl zusätzlich eine Entschädigung und zwar in Höhe von 820 Schweizer Franken – CHF – pro Tag. Außerdem wurde der Rufdienst und Wochenenddienst mit zwei Wochen Freizeit abgegolten. Zu den Rufdiensten führte sein Arbeitgeber in Bezug auf Aufgaben und Pflichten des Kl in mehreren Schreiben im Wesentlichen Folgendes aus:
„… nimmt regelmäßig am Rufdienst der Anästhesie teil. Dies bedeutet, dass die Arbeitszeit um 17.00 Uhr endet und die Ärzte nach Hause gehen. Der diensthabende Arzt muss jedoch für Notfälle innert 10 (-20) Minuten wieder am Spital verfügbar sein. Für diese Frist dauert die Heim- und Rückfahrt nach X zu lange, so dass Herr Dr. A in der Region Y übernachten muss. Von diesen Rufdiensten fallen ca. 62 pro Arzt und Jahr an.”
„… zusätzlich zu den durch den Rufdienst der Klinik für Anästhesie abgedeckten Notfällen gibt es in unserer Klinik am Wochenende Routinetätigkeiten, die regelmäßig anfallen und als normale Dienstzeit zu sehen sind. Es handelt sich um geplante Operationen am Samstagvormittag sowie um regelmäßige Visiten am Sonntag für die neu eingetretenen Patienten. Diese Tätigkeiten werden durch den/die Anästhesiearzt/-ärztin erbracht, der/die auch Rufdienst für die Notfälle hat.”
Der Sachbearbeiter Quellensteuer der Steuerverwaltung Y … teilte dem Kl mit,
„die eidg. Steuerverwaltung ist der Auffassung, dass Ihre Tage der Rufbereitschaft als Nichtrückkehrtage zählen, sofern die Rufbereitschaft über die Tagesgrenze hinaus geleistet wurde. Dies würde auch für die Wochenenden gelten, da von einer vertraglichen Verpflichtung selbst auch bei lediglich einer Anordnung durch den Arbeitgeber ausgegangen werden kann. Wir müssen deshalb an einem vollen Besteuerungsrecht der Schweiz festhalten.”
Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Schreiben vom 20. Oktober 2009 Bezug genommen (Klage-Akten, S. 58).
Die Kl erklärten in ihrer Einkommensteuer(ESt)-Erklärung 2007 unter Vorlage des Schweizer Lohnausweises des Kl steuerfreie im Progressionsvorbehalt zu berücksichtigende Einkünfte aus nichtsel...