rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1992
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die verwitwete Klägerin (Klin) reichte am 27.8.1993 ihre Einkommensteuer (ESt)-Erklärung ein. Sie erklärte u.a. inländische Kapitalerträge in Höhe von … DM und ausländische Kapitalerträge in Höhe von … DM. Die erklärten Werbungskosten zu den Kapitalerträgen beliefen sich auf … DM.
Im teilweise – nicht hinsichtlich der Kapitaleinkünfte – vorläufigen ESt-Bescheid für 1992 vom 30.9.1993 berechnete das Finanzamt die Einkünfte aus Kapitalvermögen wie folgt:
Einnahmen |
… DM |
./. Werbungskosten |
… DM |
./. Sparerfreibetrag |
… DM |
Einkünfte |
… DM |
Im Einspruchsverfahren meinte die Klin, nachdem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 27.6.1991 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654 vorliege, sei es strittig, ob die Zinserträge zu Recht angesetzt worden seien.
Durch Einspruchsentscheidung vom 17.11.1995 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück.
Das Finanzamt meinte, die Klin habe sich nicht geäußert, in welcher Hinsicht die Neuregelung der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen Auswirkungen für das Streitjahr 1992 haben solle.
Im Klageverfahren bringt die Klin vor, das BVerfG habe in seiner Entscheidung den Gesetzgeber aufgefordert, dafür zu sorgen, daß alle Zinserträge in Besteuerung gelangten. Andernfalls verliere § 20 EStG seine Existenz. Der Gesetzgeber habe in dieser Richtung nichts unternommen. Jedem Steuerbürger bleibe es unverändert überlassen, welche seiner Zinserträge er angebe und welche nicht. So könne der Fiskus beispielsweise Zinsen aus Darlehen an Eigentümer einer eigengenutzten Wohnung, Zinsen an pauschalbesteuerte Landwirte, Zinserträge im Ausland und diejenigen Zinserträge, die höherer ESt als dem 30%-igen Zinsabschlag unterlägen, nicht erkennen.
Nichts spreche für die Annahme, § 20 EStG sei erst für die Veranlagungsjahre ab 1993 unwirksam.
Die Vorläufigkeit gemäß § 165 AO sei wegen § 10 Abs. 1 FAGO und wegen Art. 1 Abs. 2 Landesverfassung Baden-Württemberg angebracht.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet (vgl. § 90 Abs. 2 FGO).
Die Klin beantragt,
im ESt-Bescheid für 1992 vom 30.9.1993 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.11.1995 die Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von … DM von der Besteuerung auszunehmen, hilfsweise unter Vorläufigkeit zu stellen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt entgegnet, daß das BVerfG in der von der Klin angeführten Entscheidung dem Gesetzgeber aufgegeben habe, die Besteuerungsgleichheit innerhalb einer angemessen Frist, spätestens mit Wirkung vom 1.1.1993 durch hinreichende gesetzliche Vorkehrungen für die Zukunft zu gewährleisten. Die Einkünfte der Klin aus Kapitalvermögen seien in der sog. Übergangszeit angefallen. Das BVerfG habe entschieden, daß lediglich im Falle der Nichterfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags zur Nachbesserung ab dem 1.1.1993 von der Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm mit der Konsequenz der steuerlichen Nichtheranziehung der Einkünfte auszugehen sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Das Finanzamt hat die Einkünfte der Klin aus Kapitalvermögen zutreffend gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5, § 20 EStG festgesetzt. Das Finanzamt hat bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu Recht gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG von den Einnahmen die Werbungskosten und den Sparerfreibetrag von 600 DM abgezogen.
Der Senat setzt das Verfahren nicht aus, um eine Entscheidung des BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen. Denn die Besteuerung der Einkünfte der Klin aus Kapitalvermögen im Streitjahr 1992 ist nicht verfassungswidrig.
Das BVerfG hat in BStBl II 1991, 654 entschieden, daß die ungleiche Besteuerung der Kapitaleinkünfte im Veranlagungszeitraum 1981 ihre wesentliche Ursache in den das Erhebungsverfahren betreffenden Regelungen habe. Der Verstoß gegen die Belastungsgleichheit wirke zwar auf die materiell-rechtliche Grundlage für die Steuererhebung zurück und könne deshalb vom Steuerpflichtigen unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG abgewehrt werden. Weil diese Rechtslage bisher nicht erkannt worden sei, bestehe Anlaß, das bisherige Recht noch für eine Übergangszeit hinzunehmen und dem Gesetzgeber Gelegenheit zu geben, spätestens mit Wirkung vom 1.1.1993 durch hinreichende gesetzliche Vorkehrungen die Besteuerungsgleichheit für die Zukunft zu gewährleisten. Sollte der Gesetzgeber diesen verfassungsrechtlichen Auftrag zur Nachbesserung nicht erfüllen, werde die materielle Steuernorm selbst verfassungswidrig. Sie würde damit als Rechtsgrundlage für eine steuerliche Heranziehung entfallen.
Diese Entscheidung des BVerfG hat auch Bedeutung für das Streitjahr 1992. Denn die Regelungen über die Erhebung der Steuer auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen haben sich seit 1981 unwesentlich geändert.
Wird demnach auch das Streitjahr 1992 von der Übergangszeit umfaßt, so hat dies die weitere Folge, daß die Klin ...