Entscheidungsstichwort (Thema)
Lieferung von Abfall im Sinne von Art. 3 Nr. 1 EG RL 98/2008 (Abfallrahmenrichtlinie) umsatzsteuerbar
Leitsatz (redaktionell)
Die Lieferung von Abfall im Sinne von Art. 3 Nr. 1 EG RL 98/2008 – Abfallrahmenrichtlinie – (im Streitfall: Sammlung insbesondere ausrangierter Bürostühle, Vorbereitung zur Wiederverwendung und anschließender Verkauf der reparierten Stühle) ist umsatzsteuerbar; der Steuerbarkeit stehen – und sei es umweltpolitisch oder betriebswirtschaftlich noch so wünschenswert für Unternehmen mit dem vorliegenden Unternehmensgegenstand – weder Art. 3 Nr. 1 EG/RL 98/2008 noch Art. 20a GG entgegen, insoweit liegt auch keine unzulässige Doppelbesteuerung vor.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 1. Halbsatz, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. a; EGRL 98/2008 Art. 3 Nr. 1; GG Art. 20a
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Lieferung von Abfall i.S. von Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (Abfallrahmenrichtlinie) nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie – MwStSystRL –) der Umsatzsteuer und damit auch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) der Umsatzsteuer unterliegt.
Der Kläger ist als selbständiger Unternehmer gewerblich tätig. Zu „Tätigkeit und Ziele” teilt der Kläger auf https://www….. (zuletzt eingesehen am: 14.03.2024) mit:
„In meinem Lager sammle ich ausrangierte Bürostühle, (…). Die Drehstühle werden in meiner Werkstatt geprüft, dabei werden schadhafte oder fehlende Teile an den Bürostühlen ausgetauscht. Anschließend werden die Bürodrehstühle gereinigt und nochmals geprüft, erst dann gehen die aufgearbeiteten Bürostühle in den Verkauf. (…) Nicht reparierbare gebrauchte Bürostühle zerlegen wir, gewinnen daraus wertvolle Ersatzteile und trennen gleichzeitig die Reststoffe. (…).”
In der Steueranmeldung für das Kalenderjahr 2020 (Streitjahr) vom 31.08.2022 bezeichnete er die „Art des Unternehmens” als „Hausratverwertung”. Die Steuer für das Streitjahr errechnete er mit der Steueranmeldung wie folgt:
|
Bemessungsgrundlage |
Steuer |
Umsätze zum allgemeinen Steuersatz |
– Lieferungen und sonstige Leistungen |
XXX EUR |
XXX EUR |
– Sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9a UStG) |
XXX EUR |
XXX EUR |
Umsätze zu anderen Steuersätzen |
XXX EUR |
XXX EUR |
Zwischensumme |
|
XXX EUR |
abziehbare Vorsteuerbeträge |
|
XXX EUR |
Verbleibender Betrag |
|
XXX EUR |
Am 24.02.2023 beantragte er „die schlichte Änderung der Umsatzsteuer nach § 164 Abs. 2 AO”.
|
Bemessungsgrundlage |
Steuer |
Umsätze zum allgemeinen Steuersatz |
– Lieferungen und sonstige Leistungen |
XXX EUR |
XXX EUR |
abzüglich |
– „Abfallverwertung” |
XXX EUR |
XXX EUR |
– „Erlöse eBay” |
XXX EUR |
XXX EUR |
– „Erlöse Lager …” |
XXX EUR |
XXX EUR |
– Sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9a UStG) |
XXX EUR |
XXX EUR |
Zwischensumme |
XXX EUR |
XXX EUR |
Umsätze zu anderen Steuersätzen |
XXX EUR |
XXX EUR |
abzüglich |
– „Abfallverwertung” |
XXX EUR |
XXX EUR |
– „Erlöse eBay” |
XXX EUR |
XXX EUR |
– „Erlöse Lager …” |
XXX EUR |
XXX EUR |
Zwischensumme |
|
XXX EUR |
abziehbare Vorsteuerbeträge |
XXX EUR |
|
nicht abziehbare Vorsteuerbeträge |
XXX EUR |
|
Zwischensumme |
XXX EUR |
XXX EUR |
Verbleibender Betrag |
|
XXX EUR |
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21.07.2023 und – erneut – mit Bescheid vom 01.09.2023 ab. Den Einspruch hiergegen wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 05.12.2023 als unbegründet zurück.
Hiergegen wendet sich der Kläger, der mit seiner Klage vorträgt, er würde Abfälle i.S. der Abfallhierarchie des § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) – insbesondere Bürostühle – zur Wiederverwendung vorbereiten. Für die Lieferung dieser Gegenstände würden ihm weder ein Entgelt berechnet noch die Frachtkosten. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG seien Abfälle i.S. dieses Gesetzes u.a. alle Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledige. Die Lieferung solcher Gegenstände habe bereits der Umsatzsteuer unterlegen. Daher würde, wenn die Lieferung der von ihm zur Wiederverwendung vorbereiteten Stühle oder anderen Gegenstände an seine Kunden der Umsatzsteuer unterlägen, eine Doppelbesteuerung eintreten. Eine solche würde sowohl gegen die MwStSystRL als auch gegen Art. 20a des Grundgesetzes (GG) verstoßen, nach dem der Staat in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen schütze.
Der Kläger beantragt,
die mit der Steueranmeldung für das Kalenderjahr 2020 vom 31.08.2022 bewirkte Steuerfestsetzung in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.12.2023 zu ändern und die Umsatzsteuer auf XXX EUR festzusetzen.
Das FA verweist auf die Einspruchsentscheidung vom 05.12.2023 und beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand im Termin am 22.02.2024 erörtert.
Der Kläger hatte sich auch an den Petitionsausschuss des Landta...