Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerrechtliches Fortbestehen eines Vorbehaltsnießbrauchs bei Austausch eines mit einem Vorbehaltsnießbrauch belasteten Grundstücks mit Zustimmung des Berechtigten gegen ein anderes Grundstück und Einräumung eines Nießbrauchsrechts an dem neuen Grundstück. Abschreibung für das neue nießbrauchsbelastete Grundstück
Leitsatz (redaktionell)
1. Steuerrechtlich kann von dem Fortbestehen eines Vorbehaltsnießbrauchs ausgegangen werden, wenn ein mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastetes Grundstück mit Zustimmung des Berechtigten gegen ein anderes Grundstück getauscht und diesem an dem neuen Grundstück wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird. Auch wenn sich zivilrechtlich der Nießbrauch an dem neuen Grundstück als Zuwendungsnießbrauch darstellt, setzt sich steuerrechtlich nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Vorbehaltsnießbrauch an dem neuen Grundstück als Surrogat fort (Anschluss an BFH, Urteil v. 24.1.1995, IX R 40/92, BFH/NV 1995 S. 770). Dies gilt nicht nur in Fällen, in denen der aus dem bisherigen Vorbehaltsnießbrauch verpflichtete Eigentümer über das eingetauschte Grundstück bei Veräußerung des bisher belasteten Grundstücks bereits verfügen konnte, sondern auch dann, wenn er erst durch den Veräußerungserlös, den er durch die lastenfreie Übertragung des Altgrundstücks erzielt, das neu zu erwerbende Grundstück vollständig finanzieren kann, und wenn bereits vor der Löschung des ursprünglich vorbehaltenen Nießbrauchs ausdrücklich vereinbart worden ist, dass künftig eine Nießbrauchsbestellung an dem neuerworbenen Objekt erfolgen muss, die zur Fortsetzung des bisherigen Nießbrauchsrechts bestimmt ist.
2. Besteht eine ausdrückliche, formfrei mögliche Vereinbarung zwischen Eltern (Nießbraucher) und Kindern (Eigentümer und Nießbrauchsverpflichtete), nach der sich das schuldrechtliche Nutzungsrecht am Erlös und später auch an dem aus dem Erlös finanzierten Ersatzgrundstück fortsetzt mit der Verpflichtung der Kinder, den Nießbrauch zunächst an dem Bankguthaben und beim späteren Kauf des Ersatzgrundstücks für die Eltern als dingliches Recht zu bestellen und zur Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen, setzt sich der Vorbehaltsnießbrauch einkommensteuerlich im Wege der Surrogation fort. Bei Vermietung des neu erworbenen Ersatzgrundstücks ist die Absetzung für Abnutzung vom Nießbrauchsberechtigten daher anders als vom Kläger beantragt nicht nach § 7 Abs. 1 EStG für die gesamten Anschaffungskosten, sondern gemäß § 7 Abs. 4 EStG nur bezüglich des auf das Gebäude entfallenden Anteils der Anschaffungskosten vorzunehmen.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 S. 1, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Kläger im Rahmen der von ihnen erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die Anschaffungskosten des im Rahmen der Inanspruchnahme eines Nießbrauchs vermieteten Objekts in voller Höhe oder nur im Umfang der auf das Gebäude entfallenden Aufwendungen vornehmen können. Streitig ist außerdem, ob die AfA verteilt auf die voraussichtliche Lebensdauer des Längstlebenden von ihnen oder nur auf die voraussichtliche Nutzungsdauer des Gebäudes zu gewähren ist.
Die im Dezember 1944 und im Oktober 1947 geborenen Kläger sind Eheleute, die zur Einkommensteuer der Streitjahre (2013 bis 2015) zusammenveranlagt werden. Bis 2013 lebten die Kläger in A unter der Anschrift […] in einem Einfamilienhaus, dessen Eigentümerin zunächst allein die Klägerin gewesen war. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 23.12.2002 (Urkundenrolle Nr. xx/…x des Notars N in A) hatte die Klägerin dieses Hausgrundstück auf die drei gemeinsamen, zu diesem Zeitpunkt bereits volljährigen Kinder K 1, K 2 und K 3 übertragen. Dabei hatten sich die Klägerin und der an dem Vertrag beteiligte Kläger an dem Objekt ein Nießbrauchsrecht bis zum Tod des Längstlebenden von ihnen vorbehalten.
Zu Beginn des Jahres 2013 (des ersten Streitjahrs) fassten die Kläger den Entschluss, nach Süddeutschland umzuziehen, um dadurch künftig in räumlicher Nähe zu ihren Kindern, die zu diesem Zeitpunkt in B, C und D wohnten, und damit auch zu ihren Enkelkindern leben zu können. Aus diesem Grund trafen sie mit ihren drei Kindern am 07.01.2013 im Hinblick auf den deshalb beabsichtigten Verkauf der Aer Immobilie wegen der ihnen daran zustehenden Nießbrauchrechte eine privatschriftliche Vereinbarung folgenden Wortlauts:
„Die Eltern werden bei dem Verkauf der Immobilie ihre Nießbrauchsrechte löschen lassen. Die Nießbrauchsrechte sollen jedoch fortbestehen, und zwar in der Weise, dass aus dem Verkaufserlös eine oder mehrere andere Immobilien auf den Namen der Kinder erworben werden, an denen wiederum ein Nießbrauchsrecht zugunsten d...