Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Gebührenerhebung für verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 3 AO
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Gebührenerhebung für verbindliche Auskünfte nach § 89 AO ist dem Grunde und der Höhe nach, soweit sie in Anlehnung an das GKG bemessen wird, verfassungsgemäß. Sie ist insoweit durch die mit der Auskunft verursachten Kosten und den mit ihr verbundenen, individuell zurechenbaren Vorteilen sachlich legitimiert.
2. Es ist zweifelhaft, ob der hinsichtlich der Höhe der Auskunftsgebühr anzuwendende Zeitmaßstab, der sich auf 50 Euro je angefangene halbe Stunde und mindestens auf 100 Euro beläuft, verfassungsgemäß ist.
Normenkette
AO § 89 Abs. 3-5; GG Art. 108 Abs. 5 S. 2; StBGebV § 13 S. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verfassungsmäßigkeit der Gebührenerhebung für verbindliche Auskünfte gemäß § 89 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO).
Die Klägerin ist eine Stiftung, die im gesamten Bundesgebiet Dienstleistungen und Beratungen auf dem Gebiet der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz erbringt. Sie stellte – nachdem ihr das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Juli 2006 V R 7/05 (BFHE 214, 458, BStBl II 2007, 412) bekannt geworden war, demzufolge betriebsärztliche Leistungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei sein können – bei dem beklagten Finanzamt (dem Beklagten) am 24. Juli 2007 einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft, die ihr insbesondere die Richtigkeit der beabsichtigten Aufteilung ihres Leistungsspektrums einschließlich bestimmter Nebenleistungen (wie etwa Fahrt-, Porto- und Telefonkosten sowie Vor- und Nacharbeiten) in steuerpflichtige Umsätze einerseits und steuerfreie Umsätze andererseits bestätigen sollte.
Unter dem 15. August 2007 erteilte der Beklagte der Klägerin die erbetene verbindliche Auskunft, wobei er in den wesentlichen Punkten der Beurteilung der Klägerin folgte. Hierfür setzte er – der Höhe nach im Einvernehmen mit der Klägerin – unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 850.000 EUR mit Bescheid vom 20. August 2007 eine Gebühr von 4.000 EUR fest.
Gegen die Erhebung dieser Gebühr erhob die Klägerin am 20. September 2007 Einspruch. Zu dessen Begründung führte sie aus, angesichts eines immer komplexer werdenden Steuerrechts habe das Instrument der verbindlichen Auskunft im Hinblick auf die Rechtssicherheit im Besteuerungsverfahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Eine Auskunft stelle für den Steuerpflichtigen jedoch keinen Sondervorteil dar, wie dies etwa bei der Erteilung einer gebührenpflichtigen Baugenehmigung der Fall sei. Vielmehr handele es sich bei ihrer Einholung um die Geltendmachung der allgemeinen Betreuungspflicht der Finanzbehörden gegenüber dem Steuerpflichtigen. Gegen die Festsetzung einer Gebühr nach § 89 Abs. 3 AO bestünden daher verfassungsrechtliche Bedenken, da sie gegen das generelle verfassungsrechtliche Verbot verstoße, den Einzelnen mit den Allgemeinkosten der Verwaltung zu belasten.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2008 als unbegründet zurück. Er halte die Einführung einer Gebührenpflicht für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft nicht für verfassungswidrig, da es sich um einen finanziellen Ausgleich für zusätzlich entstehenden Verwaltungsaufwand handele. Ihre Verfassungsmäßigkeit könne auch nicht mit Blick auf das komplexe Steuerrecht in Frage gestellt werden. Denn auch wenn das geltende Steuerrecht deutlich vereinfacht würde, bliebe es in der Lebenswirklichkeit einer globalen Wirtschaftswelt naturgemäß komplex. Er – der Beklagte – sei (mit Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 89 AO Rz. 61) der Auffassung, dass auch ein idealer, frei von Partikularinteressen handelnder und rein am Gemeinwohl orientierter Gesetzgeber außerstande wäre, ein Steuergesetz so abzufassen, dass aus ihm die geschuldete Steuer zweifelsfrei abgelesen und berechnet werden könne. Denn für den jeweiligen komplexen Einzelfall blieben zwangsläufig Rechtsunsicherheiten, die zur Wahrung der Planungssicherheit des Steuerpflichtigen vor Durchführung seiner Disposition ex ante klärungsbedürftig seien. Dass die durch verbindliche Auskünfte entstehenden Mehrverwaltungskosten dieser Vorabklärung der Finanzbehörden als besondere Dienstleistung durch eine Gebühr ganz oder teilweise auszugleichen seien, sei grundsätzlich legitim.
Hiergegen richtet sich die am 29. Januar 2008 eingegangene Klage, mit der die Klägerin ihre bereits geäußerte Rechtsauffassung wiederholt und vertieft. Im Einklang mit einer ihr am 21. Dezember 2001 erteilten Auskunft der Oberfinanzdirektion (Az.: S 7170 B – St 344) habe sie ihre Umsätze aus Untersuchungen im Zusammenhang mit der Feststellung und Erh...