Entscheidungsstichwort (Thema)

Anteilsvereinigung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands unterliegt der Grunderwerbsteuer. Begriff der erstmaligen Anteilsvereinigung. Steuerbefreiungen bei Kapitalgesellschaften

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist auch anzuwenden im Falle einer wiederholten, erneuten oder nachfolgenden Vereinigung aller Anteile, die lediglich den ursprünglichen Zustand wiederherstellt.

2. Der in der Literatur verwendete Begriff der erstmaligen Anteilsvereinigung betrifft nur den Fall, dass nach Überschreiten der 95-%-Grenze weitere Anteilserwerbe nicht steuerbar sind, also die Verstärkung der bereits bestehenden Anteilsvereinigung.

3. Die Steuerbefreiungen in § 3 Nr. 4 bis 7 GrEStG sind auf Erwerbsvorgänge mit Kapitalgesellschaften nicht anwendbar, da diese die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllen können.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 3 Nrn. 4-5, 5a, 6-7

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Entstehung von Grunderwerbsteuer aufgrund der Übertragung von Anteilen an der A GmbH i.L. auf einen Gesellschafter.

Die A GmbH i.L. (im Folgenden: Gesellschaft) entstand aus der B GmbH, an welcher Herr C (im folgenden Erblasser: El.; verstorben am XX.XX.XXXX) ab 1992 mit 100 % beteiligt war. Diese Gesellschaft hat in 1995 Grundstücke in der a Straße 1 bzw. in der b Straße 2 in D erworben. Am XX.XX.2001 wurde das Stammkapital dieser Gesellschaft von XXX TDM auf XXX TEUR erhöht und die nunmehr geschiedene Ehefrau E des El. mit XXX TEUR (=49 %) am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt. Am XX.XX.2012 wurde die F GmbH, an der der El. mit einem Geschäftsanteil von TEUR XXX (=90%) und Frau E mit einem Geschäftsanteil von TEUR XXX (10%) mit der umfirmierten B GmbH (=jetzt A GmbH i.L.) verschmolzen, wodurch sich der Anteil der Frau E an der Gesellschaft auf 14,5 % reduzierte.

Mit Vertrag vom XX.XX.2021 verkaufte Frau E im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung die verbliebenen 14,5 % der Gesellschaft an den El.

Mit Bescheid vom 13.12.2021 setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer in Höhe von XXX Euro (XXX Euro × 5%) fest.

Den hiergegen am 04.01.2021 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 05.07.2022 – nunmehr gegen die Rechtsnachfolger (Kläger; vgl. Testament des El. vom XX.XX.XXXX; AG G UR XXXX Nr. XXXX) des El. – als unbegründet zurück.

Die Kläger haben am 01.08.2022 Klage erhoben.

Sie sind der Auffassung, dass eine wiederholte, erneute oder nachfolgende Vereinigung aller Anteile, die lediglich den ursprünglichen Zustand wiederherstelle, bei zweckentsprechender Auslegung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ausgeschlossen sein müsse. Sie berufen sich auf ein Urteil des BFH vom 27.05.2020 – II R 45/17 (BFHE 270, 247, BStBl II 2021, 315, Rz. 13). Mit dem Vertrag vom XX.XX.2021 sei es zur zweiten Anteilsvereinigung gekommen, da der El. bereits von XXXX bis XXXX zu 100% an der Gesellschaft beteiligt gewesen sei.

Die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG enthalte einen speziellen typisierenden Missbrauchsabwehrregelungsmechanismus (Begründung des GrStG, 1940, 392; Pahlke, GrEStG, 6. Aufl., 2018, § 1 Rdnr. 317), welche ein zweckorientiertes inneres System beinhalte, das nur die erstmalige Übertragung der wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit eines Grundstückes erfasse (Loose, Umgang mit den Ergänzungstatbeständen bei der GrESt, in Festschrift für den BFH, 2018, S. 1637, 1653). Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung „gehört” daher ein Grundstück trotz zivilrechtlichen Eigentums nicht mehr zum Vermögen der GmbH, wenn es – wie hier – vor Entstehung der Steuerschuld bereits Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1, 2, 3, oder 3a GrEStG gewesen sei (Meßbacher-Hönsch in Viskorf, GrEStG, 20. Aufl., 2021, § 1 Rdnr. 895). Bei dem erneuten (nicht erstmaligen) Erwerb sämtlicher Anteile an einer grundbesitzhaltenden GmbH in Liquidation sei weder eine Missbrauchsabwehr notwendig noch eine zweckorientierte innere Rechtfertigung für eine Ausdehnung der Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrStG auf die erneute (= zweite) Vereinigung aller Anteile erkennbar, so dass dies die Besteuerung ausschließe. Bei einer „Steuerwürdigkeitsprüfung” sei eine solche überschießende Tendenz durch Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf jede Form der erstmaligen Vereinigung aller Anteile in einer Hand Rechnung zu übertragen.

Wenn es nach dem Urteil des FG Münster vom 26.04.2007 (– 8 K 1069/04 GrE, EFG 2007, 1895, Rz. 59) richtig sei, dass insoweit ein über 95% hinausgehender Anteilserwerb keine Steuerbarkeit auslösen könne, da die Grundstücke bereits fiktiv dem Erwerber zugeordnet würden, müsse dies erst recht für einen 100% beteiligten Gesellschafter gelten, weil dieser keine höhere Beteiligung als 100% mehr erreichen könne. Es liege daher durch den Erwerb des Grundbesitzes seitens der GmbH in 1995 zunächst ein s...

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