Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtrückkehrtage eines Schweizer Grenzgängers bei nächtlichem Bereitschaftsdienst-Dienst. Besteuerung von Arbeitsentgelt aus einem Drittstaat

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Nichtrückkehrtag i. S. d. Art. 15a Abs. 2 S. 1 DBA-Schweiz liegt auch dann vor, wenn der Grenzgänger aufgrund eines Pikett-Dienstes verpflichtet ist, nach der Beendigung seiner aktiven Arbeitszeit vor Mitternacht am Arbeitsort zu übernachten, wenn er dabei höchstens ein bis zweimal im Jahr wegen eines Notfalls während des Bereitschaftsdienstes aktiv wird und ansonsten schläft.

2. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Nachtdienst nicht auf die Jahresarbeitszeit angerechnet und nur gering entlohnt wird.

3. Ist ein Arbeitnehmer in der BRD ansässig und erzielte er Einkünfte aus einer in den Niederlanden ausgeübten nichtselbstständigen Arbeit, steht das DBA-Schweiz der Besteuerung dieser Einkünfte im Inland nicht entgegen.

 

Normenkette

DBA CHE Art. 4 Abs. 1-2, Art. 15a, 15 Abs. 1 S. 2, Art. 21, 24 Abs. 1 Nr. 1d, Art. 26 Abs. 3; DBA-Niederlande Art. 10 Abs. 1-2; EStG § 1 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Die Einkommensteuerbescheide vom 20. Februar 2007 (für 2005) und vom 22. Oktober 2008 (für 2006) in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 21. Juli 2009 werden (ersatzlos) aufgehoben.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung von mehr als 1.500 EUR, darf die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der am xx.xx. 1963 geborene Kläger ist seit dem xx.xx.xxxx mit der am xx.xx. 1968 geborenen A verheiratet. Der Kläger wird auf seinen in den Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 (Streitjahre) gestellten Antrag getrennt von seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist im Frühjahr 2007 nach B/Kanton X (= CH von confoederatio helvetica abgeleitet) verzogen. Seither lebt er in der Schweiz.

Die Fachhochschule für Sozialwesen E verlieh dem Kläger am xx.xx. 1991 den Hochschulgrad Diplom-Sozialpädagoge (Fachhochschule) Im Übrigen wurde ihm von der Pädagogischen Hochschule F am xx.xx. 2003 der akademische Grad Diplom-Pädagoge verliehen.

Der Kläger trat am xx.xx. 2004 als Teamleiter des Bereichs Sozialpädagogik mit einem Pensum von 100 % in den Dienst der privatrechtlichen Stiftung für die I (im Folgenden: i) mit der Geschäftsleitung in B/Kanton X/CH).

Am Sitz der i in C/Kanton X/CH hält sich der Kläger ca. 2 mal im Jahr zu Besprechungen auf. In der Gemeinde E/Kanton X/Schweiz, die gegenüber von C/CH am rechten Ufer liegt, hielt sich der Kläger in der dortigen Anstalt lediglich zu fachlichen Besprechungen in ca. 14-tägigem Abstand auf. Sein regelmäßiger Arbeitsort war in den Streitjahren die Anstalt in K/Kanton X/CH. Die Anstellung des Klägers bei der i (einem Sozialunternehmen) erfolgte für die Therapiestationen in E/CH und in K/CH.

Die Therapiestation in K hat 10 Plätze für verhaltensauffällig gewordene, 10 – 16 Jahre alte Jugendliche. Angestellt bei der Therapiestation sind insgesamt 15 Personen, die sich auf die Bereiche Sozialpädagogik, Schule und Therapie verteilen.

Die Entfernung zwischen dem Wohnort des Klägers in den Streitjahren in R (Deutschland), und dem Arbeitsort in K Kanton X/CH, beträgt 44,7 km und die Fahrzeit lt. dem Routenplaner von google.de/maps 38 Minuten (lt. dem von falk.de 44 Minuten). In den Streitjahren war auf der Strecke, die der Kläger für seine Fahrten von seinem Wohnsitz in zu seinem Arbeitsort benutzte, noch nicht die Autobahnbrücke auf der A861 fertig gestellt. Der Kläger musste deshalb die alte Brücke zur Schweiz bei R/Deutschland benutzen, was die Fahrzeit um ca. 20 Minuten, in Spitzenzeiten um ca. 40 Minuten verlängerte. Die alte Brücke hatte nur eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit und im Übrigen verzögerten insbesondere von der Schweiz durchgeführte Grenzkontrollen die An- und Rückreise.

Nach der dem Arbeitsvertrag beigefügten Stellenbeschreibung war der Kläger verpflichtet, wöchentlich durchschnittlich einen Nachtdienst zu übernehmen. Den Nachtdienst verbrachte der Kläger im sog. Nachtdienstzimmer (Pikettzimmer) [ ] in K/Kanton X/CH, in die die Therapiestation eingezogen ist. Dieser ist ca. 15 qm groß. Eingerichtet ist es mit einem großen Bett, Sessel und kleinen Tisch. Im Übrigen gab es noch einen Nebenraum mit den notwendigen sanitären Einrichtungen (Bad, Dusche, WC). Das zur Therapiestation gehörende Grundstück umfasst ca. 1 Hektar. Die Nachtruhe wird höchst selten (wenn überhaupt einmal pro Monat) und dann auch nur kurzfristig unterbrochen für ein...

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