rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in der Schweiz. kein Verbot des Progressionsvorbehalts in DBA-Schweiz. Veranlagungszeitraum bei unbeschränkter Steuerpflicht in nur einem Teil des Kalenderjahres

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG greift auch dann ein, wenn in nur einem Teil des Kalenderjahres unbeschränkte Steuerpflicht besteht und im anderen Teil keine in Deutschland zu besteuernden Einkünfte anfallen.

2. Auch wenn nur in einem Teil des Kalenderjahres eine unbeschränkte Steuerpflicht besteht, ist der Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr.

3. Die Anwendung des Progressionsvorbehalts setzt nicht voraus, dass das DBA dies positiv erlaubt. Sie ist nur dann ausgeschlossen, wenn das DBA sie verbietet. Ein solches Verbot ist im DBA-Schweiz nicht enthalten.

4. Die Bestimmung des Steuersatzes, mit dem die während der Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht erzielten Einkünfte besteuert werden, ist ausschließlich Sache des Ansässigkeitsstaates. Folglich entscheidet sich allein nach dem deutschen innerstaatlichen Steuerrecht, ob ein Progressionsvorbehalt anzuwenden ist.

 

Normenkette

EStG 2004 § 32b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 1 Abs. 1, 4, §§ 49, 25 Abs. 1; DBA CHE Art. 4 Abs. 5

 

Tenor

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Einkünfte der Klägerin (Klin) aus nichtselbständiger Arbeit, die sie nach ihrem Umzug in die Schweiz aus einer dort ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit erzielt hat, im Jahr des Umzugs bei der deutschen Besteuerung im Wege des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden dürfen.

Die Kläger (Kl) sind seit dem Jahr 1999 miteinander verheiratet. Bis zum 31. Juli 2004 lebten sie im Inland, wo die Klin als Angestellte nichtselbständig beschäftigt war. Seit dem Umzug der Kl in die Schweiz am 1. August 2004 war die Klin in der Schweiz nichtselbständig tätig.

Am 8. November 2005 reichten die Kl ihre Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für das Streitjahr beim Beklagten (Bekl) ein. Dabei erklärten sie für die Klin den bis zum 31. Juli 2004 angefallenen inländischen Arbeitslohn in Höhe von 29.195 EUR. Weiter führten sie aus, es würden in der deutschen ESt-Erklärung nach Art. 4 Abs. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz) nur die deutschen Einkünfte erklärt, da die Klin im Jahr 2004 sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei.

Mit Bescheid vom 14. August 2006 setzte der Bekl – antragsgemäß im Wege der Zusammenveranlagung – die ESt der Kl für das Streitjahr fest. Dabei berücksichtigte er den in der Zeit vom 1. August 2004 bis zum 31. Dezember 2004 in der Schweiz erzielten Arbeitslohn der Klin entsprechend dem Einschätzungsbescheid der schweizerischen Steuerbehörden mit 23.335 EUR im Wege des Progressionsvorbehalts. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).

Mit Schreiben vom 16. August 2006 legten die Kl den schweizerischen Steuerbescheid vor, aus dem sich für die Zeit vom 1. August bis zum 31. Dezember 2004 Einkünfte der Klin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von (i.H.v.) 28.240 EUR ergaben.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2006 änderte der Bekl den ESt-Bescheid vom 14. August 2006 unter Bezugnahme auf § 164 Abs. 2 AO dahingehend, dass die in der Schweiz bezogenen Einkünfte der Klin aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 28.240 EUR im Wege des Progressionsvorbehalts berücksichtigt wurden.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 11. Januar 2007 legten die Kl Einspruch ein. Zur Begründung machten sie im Wesentlichen geltend, die schweizerischen Einkünfte der Klin unterlägen nicht dem Progressionsvorbehalt, da nach der Sondervorschrift des Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz im Jahr des Wohnsitzwechsels die unbeschränkte Steuerpflicht auf den Zeitraum der Ansässigkeit begrenzt sei. Gemäß Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz könnten im Inland die Steuern auf der Grundlage der unbeschränkten Steuerpflicht nur für die Zeit bis zum 31. Juli 2004 festgesetzt werden, weil nur bis zu diesem Zeitpunkt ein Wohnsitz im Inland bestanden habe. Ab dem 1. August 2004 seien die Kl nur noch nach den Grundsätzen der beschränkten Steuerpflicht im Inland steuerpflichtig.

Mit Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2010 wies der Bekl den Einspruch der Kl als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Einkünfte der Klin dürften nach deren Wegzug ins Ausland nicht in die Bemessungsgrundlage der deutschen ESt einbezogen werden. Sie seien jedoch gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) im Wege des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Nach § 1 Abs. 1 EStG seien natürliche Personen, die im Inland ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, unbeschränkt einko...

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