Entscheidungsstichwort (Thema)
Progressionsvorbehalt bei unterjährigem Wegzug eines Grenzgängers ins Ausland
Leitsatz (redaktionell)
Für einen Grenzgänger, der ganzjährig im Inland innerhalb des deutschen Grenzgürtels arbeitet, ist für das Jahr des Umzugs von Deutschland nach Frankreich (Grenzdepartement) auf die vor dem Wegzug erzielten Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit der Progressionsvorbehalt mit dem Steuersatz anzuwenden, der sich ergibt, wenn die nach dem Umzug im Inland erzielten Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit einbezogen werden.
Normenkette
DBAF Art. 13 Abs. 5; DBAF Art. 20 Abs. 1; EStG § 2 Abs. 7 S. 3, § 32b Abs. 1 Nr. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob der Progressionsvorbehalt zur Bestimmung des Steuersatzes zur Anwendung kommt.
Der Kläger und seine Ehefrau werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Beide hatten bis zum 31. Juli 1997 einen Wohnsitz im Inland. Seit dem 1. August 1997 wohnen sie in ... / Frankreich. Der Kläger erzielte im gesamten Streitjahr Arbeitslohn bei einem inländischen Arbeitgeber, der Firma ... Gemäß Freistellungsbescheid des Finanzamts ... vom 26. August 1997 wurde von dem seit 1. August 1997 gezahlten Arbeitslohn kein Lohnsteuerabzug vorgenommen, da dieser nach der im Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich enthaltenen Regelung über Grenzgänger in der Bundesrepublik Deutschland steuerbefreit ist. Im Einkommensteuerbescheid 1997 vom 4. Februar 1999 behandelte der Beklagte den vom 1. August 1997 bis zum 31. Dezember 1997 bezogenen Arbeitslohn des Klägers (77.920,-- DM) als steuerfrei und bezog ihn nach § 32b EStG in die Berechnung des Steuersatzes ein (26,0476 % auf 65.016,-- DM zu versteuerndes Einkommen). - Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid blieb erfolglos.
Mit der Klage trägt der Kläger vor, die Einbeziehung der Einkünfte ab 1. August 1997 bis 31. Dezember 1997 in die Berechnung des Steuersatzes zwecks Durchführung des Progressionsvorbehalts sei aufgrund neuerer Finanzgerichtsrechtsprechung nicht mehr anzuwenden. Das Finanzgericht Baden-Württemberg habe mit Beschluss vom 16. Februar 1999 5 V 34/98, rechtskräftig entschieden, dass bei Wegzug ins Ausland, unter der Voraussetzung, dass ab dieser Zeit keine inländischen Einkünfte nach § 49 EStG bezogen würden, der Progressionsvorbehalt nicht anzuwenden sei. Dies sei auch logisch, weil durch den Wohnsitzwechsel in beiden Staaten eine Veranlagung im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht durchzuführen sei und durch die doppelte Anwendung des Progressionsvorbehalts eine erhöhte Steuer zu zahlen wäre. Klägerischerseits werde davon ausgegangen, dass die Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg auch vom Finanzgericht Neustadt übernommen werde. Das Finanzamt als Antragsgegner im vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg durchgeführten Verfahren habe kein Rechtsmittel eingelegt, obwohl das Gericht die Beschwerde ausdrücklich zugelassen habe.
In der mündlichen Verhandlung wird ergänzend ausgeführt, ein genügender tatsächlicher Anknüpfungspunkt für die Anwendung des in Artikel 20 DBA-Frankreich vorgesehenen Progressionsvorbehalts sei nicht gegeben; zudem sei in diesem Zusammenhang eine Regelung der temporären Ansässigkeit im anderen Land - wie im DBA-Schweiz - im DBA-Frankreich nicht enthalten. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Progressionsvorbehalt nicht eingreifen würde, wenn der Kläger bereits zum 31. Dezember des Vorjahres / 1. Januar des Streitjahres seinen Wohnsitz in Frankreich verlegt hätte.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 4. Februar 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. August 1999 dahingehend zu ändern, dass das vom Kläger vom 1. August bis 31. Dezember bezogene inländische Arbeitseinkommen nicht zum Progressionsvorbehalt herangezogen wird,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er trägt vor, gemäß der Neufassung des § 2 Abs. 7 EStG und wegen Wegfalls des § 25 Abs. 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 1996 sei der Kläger für das ganze Streitjahr als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig veranlagt worden. Die nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich steuerbefreiten Einkünfte unterlägen nach § 32b EStG dem Progressionsvorbehalt. - Im übrigen gehe auch das Finanzgericht Baden-Württemberg in seinem vom Kläger zitierten Beschluss grundsätzlich davon aus, dass die Anwendung des Progressionsvorbehalts den gesetzlichen Bestimmungen entspreche und bejahe lediglich in einem Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung im Rahmen der von ihm vorzunehmenden summarischen Prüfung Zweifel an der Rechtmäßigkeit des dort angefochtenen Verwaltungsakts. Dagegen habe das Finanzgericht Köln im Beschluss vom 12. März 1999 8 V 544/99 Zweifel an der Rechtmäßigkeit der gesetzlichen Regelung verneint.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat zutreffenderweise gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG die in der Zeit vom 1. August 1997 bis 31. Dezember 1997 vom Kläger erzi...