Entscheidungsstichwort (Thema)
Herstellung von Alkohol durch einen Obstlandwirt mit angeschlossener Brennerei unterliegt nicht der Versteuerung nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 UStG. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 22/24)
Leitsatz (redaktionell)
1. Baut ein Landwirt mit angeschlossener Brennerei Obst an, das er teilweise verkauft und teilweise mittels einer Destillieranlage zu Alkohol verarbeitet, so unterliegt die Lieferung des Alkohols an Kunden nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG; die Herstellung des Rohalkohols aus dem angebauten Obst findet nicht mehr im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs im Sinne des § 24 UStG statt.
2. Der Alkohol ist kein landwirtschaftliches Erzeugnis im Sinne von Art. 295 Abs. 1 Nr. 4 MwStSystRL.
3. Die Brennerei und damit die Herstellung des Alkohols ist umsatzsteuerrechtlich auch kein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG bzw. die Alkoholherstellung mittels Destillierung ist auch keine nach Art. 295 Abs. 2 MwStSystRL der landwirtschaftlichen Erzeugung gleichgestellte Verarbeitungstätigkeit.
4. Die für die Gewinnung des Rohalkohols aus der Obstmaische eingesetzte Destillieranlage (Schnapsbrennkessel) ist kein Mittel, das normalerweise in einem landwirtschaftlichen Betrieb verwendet wird.Der Destillationsvorgang ist auch keine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne von Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL.
Normenkette
UStG 2015 § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 3, Abs. 2 S. 2, Abs. 2 Nr. 1; MwStSystRL Art. 295 Abs. 1 Nrn. 1, 4-5, Abs. 2, Art. 296 Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Entgelte für die Lieferung von alkoholischen Flüssigkeiten der Regelbesteuerung mit Vorsteuerabzug oder der Versteuerung nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG) unterliegen.
Der Kläger betreibt eine Landwirtschaft mit angeschlossener Brennerei. Er baut Obst an, das er teilweise verkauft und teilweise zu Alkohol verarbeitet. Er produziert mittels einer Destillieranlage diverse Obstbrände und in geringem Umfang Weinhefebrand und Kornbrand. Die sensorisch besten Brände füllt er selbst ab und verkauft sie als Schnäpse an Laufkundschaft und Hofläden. Den Rest liefert er als Rohalkohol an Großhändler.
Der Kläger unterwarf in seinen (teilweise geänderten) Umsatzsteuererklärungen vom 14. August 2019 (Streitjahre 2015 bis 2017) und 8. Juni 2020 (Streitjahr 2018) die Entgelte aus dem Verkauf von selbst hergestellten Bränden an Endabnehmer der Steuer von 8,3 % (19 % abzüglich der pauschalen Vorsteuer des § 24 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 UStG) und die Entgelte aus den Lieferungen von Rohalkohol an Großhändler der Regelbesteuerung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Umsatzsteuererklärungen und das Begleitschreiben mit seinen Anlagen (…) verwiesen.
Der Beklagte folgte dem und erließ am 4. September 2019 einen auf der Grundlage der Erklärung des Klägers geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2015 und für die übrigen Streitjahre erklärungsgemäße Abrechnungen.
Am 12. März 2020 (Streitjahre 2015 bis 2017) bzw. 2. Juli 2020 (Streitjahr 2018) ließ der Kläger Änderungsanträge stellen. Er beantragte, die gesamten Umsätze mit alkoholischen Flüssigkeiten der Pauschalbesteuerung zu unterwerfen und trug vor, dass er Rohalkohol an einen Großhändler verkaufe, der diesen einer Reinigung durch eine zweite Destillation unterziehe. Es sei fraglich, ob der Reinigungsvorgang ihm, dem Kläger, zuzurechnen sei und ob dadurch das Urprodukt Rohalkohol so verändert werde, dass kein landwirtschaftliches Produkt im Sinne des § 24 UStG mehr vorliege. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schreiben vom 12. März 2020 (…) verwiesen.
Der Beklagte lehnte die Änderungsanträge mit Bescheiden vom 27. April 2020 und 11. August 2020 ab, da die Reinigung zu einem Produkt der zweiten oder einer höheren Verarbeitungsstufe führe und die Umsätze damit der Regelbesteuerung unterlägen. Es liege eine Verarbeitung vor, die nicht mit normalerweise in landwirtschaftlichen Betrieben verwendeten Mitteln erfolge. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheide (…) verwiesen.
Die jeweils fristgerecht eingelegten Einsprüche gegen die Ablehnung der Änderungsanträge für die Jahre 2015 bis 2018 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2021 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 19. August 2021 erhobene Klage, mit welcher der Kläger das Ziel weiterverfolgt, dass sämtliche Umsätze der Brennerei der Besteuerung nach Durchschnittssätzen (Pauschalbesteuerung) gemäß § 24 UStG unterworfen werden.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers behauptet, es liege auch nach der Reinigung des Rohalkohols kein trinkfertiger Alkohol vor und verweist auf eine Bestätigung der A GmbH, welche den an Großhändler verkauften Branntwein nochmals destilliere. Es erfolge nur eine weitere Destillation, die seines Erachtens nicht der zweiten Verarbeit...