Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines DBA. kein Recht zur Einbeziehung von Zinserträgen einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft aus an inländischem Grundbesitz besicherten Darlehen in die Veranlagung nach Art. 11 Abs. 2 DBA-AUT 1954
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Auslegung eines DBA ist nicht nur auf dessen Wortlaut, sondern auch auf den Sinn und Zweck und den systematischen Zusammenhang der auszulegenden Bestimmung abzustellen. Es sind die Begriffsdefinitionen des Abkommens, der Sinnzusammenhang des DBA und die Begriffswelt des innerstaatlichen Rechts zu berücksichtigen.
2. Die Vorschrift des Art. 11 Abs. 2 DBA-AUT 1954 ist dahingehend auszulegen, dass unter „Abzugsweg (an der Quelle)” nicht die Veranlagung fällt, sodass ein Besteuerungsrecht nur dann besteht, wenn das nationale Recht tatsächlich eine Quellenbesteuerung für den konkreten Fall vorsieht. Zu einem darüber hinausgehenden allgemeinen Besteuerungsrecht, insbesondere zu einer Einbeziehung der Zinseinkünfte in eine nationale Veranlagung, berechtigt die Norm hingegen nicht.
Normenkette
EStG § 50 Abs. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa, § 43 Abs. 1 Nr. 7; KStG § 8 Abs. 1; DBA AUT 1954 Art. 11 Abs. 1-3
Tenor
1. Die geänderten Körperschaftsteuerbescheide für 2000, 2001 und 2002, jeweils vom 5. Februar 2018, werden dahingehend abgeändert, dass sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen von der deutschen Besteuerung freigestellt werden und die Körperschaftsteuer in Höhe von 0 DM bzw. 0 EUR festgesetzt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch einfache Erklärung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Klägerin Quellensteuer auf Zinseinkünfte im Wege der Veranlagung erhoben werden kann.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft (AG) mit ausschließlichem Sitz in A. (Österreich).
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die … (künftig: X. AG), betrieb bis 2010 national und international Versicherungsgeschäfte und andere geschäftliche Aktivitäten. Sie war in den Streitjahren 2000 bis 2002 als Kommanditistin u.a. an der rein vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaft mit Sitz im Inland, der Y-B GmbH & Co. KG (künftig: Y-B KG; St.-Nr. …, Finanzamt N.) zu 100 % beteiligt. Die Y-B KG wiederum hielt 49 % der Anteile an der Z. GbR (künftig: Z. GbR), den sie mit Vertrag vom 23. Dezember 1999 von ihrer Kommanditistin, der X. AG, zum Kaufpreis von ca. 53 Mio. DM erworben hatte.
Die X. AG unterhielt in den Streitjahren im Inland keine Betriebsstätte und verfügte auch über keinen inländischen Vertreter.
Im Juli 1999 erwarb die Y-B KG das Grundstück „I.” in C./D. (Projekt D.). Zur Finanzierung der Anschaffungskosten des Grundstücks und der Beteiligung an der Z. GbR (Projekt Z.) gewährte die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die X. AG, der Y-B KG u.a. folgende Darlehen, für die jeweils eine inländische Grundschuld zur Sicherheit bestellt und im Grundbuch eingetragen wurde:
Projekt |
Darlehensnummer (Abkürzung) |
Datum Vertragsabschluss |
Darlehenssumme in EUR |
D. |
9…, …-6 „…-6”) |
22.12.1999 |
18.480.542,78 |
Z. |
91…, …-7 „…-7”) |
22.12.1999 |
16.547.478,26 |
Aus diesen Darlehensverträgen erzielte die X. AG in den Streitjahren folgende Zinseinnahmen:
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Darlehen-Nr. |
2000 in EUR |
2001 in EUR |
2002 in EUR |
Summe in EUR |
|
…-6 |
513.899,93 |
1.101.520.20 |
1.201.204,20 |
2.816.624,33 |
…-7 |
1.069.610,50 |
1.075.586,00 |
1.075.586,00 |
3.220.782,50 |
Summe in EUR |
1.583.510,43 |
2.177.106,20 |
2.276.790,20 |
6.037.406,83 |
Summe in DM |
3.097.077,20 |
4.258.049,62 |
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Sämtliche Zinseinnahmen unterwarf die X. AG in Österreich der dortigen nationalen Besteuerung.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin reichte beim Beklagten (dem Finanzamt – FA –) für das Streitjahr 2000 am 8. Mai 2002, für 2001 am 17. Juni 2003 und für 2002 am 24. März 2004 Körperschaftsteuererklärungen ein und erklärte darin folgende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (u. a. aus dem Anteil an der Y-B KG):
Streitjahr |
aus Y-B KG |
aus Y-E KG |
Summe |
2000 |
410.328 DM |
./. 3.785.757 DM |
./. 3.375.429 DM |
2001 |
./. 216.769 EUR |
415.304 EUR |
198.535 EUR |
2002 |
23.756 EUR |
./. 4.145.303 EUR |
./. 4.121.547 EUR |
Einkünfte aus Kapitalvermögen wurden keine erklärt. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden in der erklärten Höhe jeweils gesondert und einheitlich festgestellt. Aufgrund der Mitteilungen führte das FA entsprechend den abgegebenen Erklärungen die Veranlagungen durch. In allen drei Streitjahren ergab sich (in 2001 nach Berücksichtigung eines Verlustvortrags) eine festgesetzte Körperschaftsteuer von 0 DM bzw. EUR. Alle Steuerbescheide ergingen nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
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