rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Verpflichtung des FA zur Bekanntgabe von Steuerbescheiden an einen Bevollmächtigten aufgrund einer allgemeinen Verfahrensvollmacht. keine Geltung einer auf das Strafverfahren bezogenen Strafprozessvollmacht für das Besteuerungsverfahren. Anscheins- oder einer Duldungsvollmacht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an den Bevollmächtigten des Steuerpflichtigen aufgrund einer das Ermessen des FA verengenden besonderen Sachlage (Ermessensreduzierung auf null) besteht nur dann, wenn für den Steuerpflichtigen als denjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist, ein Bevollmächtigter eindeutig und unmissverständlich gerade (auch) als Bekanntgabeadressat bestellt worden ist und sich dies unmittelbar aus der diesbezüglichen Erklärung des Steuerpflichtigen bzw. seines Bevollmächtigten ergibt; anderenfalls ist die Finanzbehörde grundsätzlich in der Auswahl des Bekanntgabeadressaten frei.

2. Auch eine allgemein erteilte Verfahrensvollmacht, die nicht eindeutig und ausdrücklich zur Entgegennahme von Verwaltungsakten ermächtigt, kann stillschweigend oder konkludent eine Empfangsvollmacht enthalten und deshalb Grundlage dafür sein, dass die Finanzbehörde einen Verwaltungsakt an den Bevollmächtigten wirksam bekannt geben kann. In diesem Fall ist die Behörde aber nicht zwingend zur Bekanntgabe an den Bevollmächtigten verpflichtet, sondern kann Bescheide weiter wirksam dem Steuerpflichtigen bekanntgeben.

3. Reichen kurz nach einer Durchsuchung der Wohnräume der Steuerpflichtigen durch die Steuerfahndung Bevollmächtigte eine – nur von dem der Steuerhinterziehung beschuldigten Ehemann unterschriebene – Vollmacht mit der Überschrift „Strafprozessvollmacht” bei der Steuerfahndung ein, die u. a. nach ihrem Einleitungssatz die „Verteidigung und Vertretung in allen Verfahrensabschnitten umfasst, ausschließlich Einzelvorschriften aus der Strafprozessordnung (StPO), nicht aber aus der AO bzw. der FGO benennt und anschließend sieben ersichtlich auf das Strafverfahren bezogene Einzelbefugnisse auflistet (u. a. die Befugnis zur Erstattung von Strafanzeigen und zur Stellung von Strafanträgen, im Weiteren auch die Befugnis zur Einlegung von „Rechtsmitteln aller Art”, wobei einzelne Rechtsmittel nur im Strafverfahren, nicht aber im Besteuerungsverfahren bzw. finanzgerichtlichen Verfahren zulässig sind; die Vollmacht, „Zustellungen aller Art, insbesondere auch von Urteilen und Beschlüssen sowie von Ladungen gem. § 145a Abs. 2 S. 1 StPO, entgegenzunehmen”), so ist diese Vollmacht bei der gebotenen Auslegung dahin zu verstehen, dass sie nicht auf das Besteuerungsverfahren, sondern nur auf das Strafverfahren bezogen ist, daher insbesondere nicht die Bekanntgabe von Steuerbescheiden erfasst und die Behörde somit nicht zwingend zur Bekanntgabe von aufgrund der Fahndung ergangenen Steuerbescheiden an die Bevollmächtigten verpflichtet ist. Das gilt auch dann, wenn die Steuerfahndungsstelle zum selben FA wie die Veranlagungsstelle gehört und die Bevollmächtigten zugleich Rechtsanwälte und Steuerberater sind.

4. Soweit die Prozessbevollmächtigten vor der Bekanntgabe der streitigen Änderungsbescheide für die Steuerpflichtigen im Verfahren der Einkommensteuerveranlagung der Streitjahre und auch in den Rechtsbehelfsverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide anderer Jahre für die Steuerpflichtigen aufgetreten sind, oder soweit das FA den die Steuerpflichtigen betreffenden Schriftverkehr über die Prozessbevollmächtigten abgewickelt hat, reicht dies für das Vorliegen einer Anscheins- oder einer Duldungsvollmacht nicht aus.

 

Normenkette

AO § 355 Abs. 1 S. 1, § 122 Abs. 1 Sätze 1, 3, §§ 5, 80 Abs. 3 S. 1, § 110 Abs. 1; FGO §§ 102, 62, 155 S. 1; ZPO § 81; BGB §§ 133, 157

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Einsprüche gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2003 bis 2005 rechtzeitig eingelegt worden sind.

Die Kläger sind miteinander verheiratet und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger betreibt in X, A-Straße 1, eine Pizzeria mit Außerhausverkauf sowie angeschlossenem Restaurant unter der Firma Y und erzielte in den Streitjahren hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Für den Veranlagungszeitraum 2003 reichten die Kläger am 11. Oktober 2004 und für den Veranlagungszeitraum 2004 am 20. Januar 2006 ihre jeweilige gemeinsame Einkommensteuererklärung beim Beklagten ein, bei deren Anfertigungen die Z Steuerberatungsgesellschaft mbH in B mitwirkte. Der hierauf ergangene Einkommensteuerbescheid für 2003 wurde bestandskräftig, derjenige für 2004 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Beide Bescheide gab der Beklagte gegenüber den Klägern unter deren Anschrift in X, A-Straße 2, bekannt.

Aufgrund einer Betriebsprüfung ergingen im August 2007 erstmals Änderungsbescheide für die Streitjahre 2003 und ...

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