Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für im Jahr 2010 in österreichischer Klinik nach der ICSI-Methode vorgenommene künstliche Befruchtung von mehr als drei Eizellen der späteren Ehefrau des an Subfertilität leidenden Steuerpflichtigen nicht als außergewöhnlichen Belastungen abziehbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine organisch bedingte erhebliche Einschränkung der Fertilität eines Mannes ist eine Krankheit; Aufwendungen zur Behandlung stellen daher grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen abziehbare Krankheitskosten dar.
2. Aufwendungen für Maßnahmen der Fortpflanzungsmedizin können auch dann grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn die Partner nicht miteinander verheiratet sind. Voraussetzung hierfür ist jedoch weiterhin, dass die Maßnahmen mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte (BO) in Einklang stehen.
3. Bei der gebotenen Zusammenschau von § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 des Embryonenschutzgesetzes verstößt es gegen diese Vorschriften und gegen die im Jahr 2010 gültigen Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte, wenn im Jahr 2010 im Wege der sog. intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) mehr als drei Eizellen befruchtet werden; insoweit ist ein Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ungeachtet einer etwaigen (teilweisen) Kostenübernahme durch die Krankenversicherung oder die Beihilfe nicht möglich.
4. Der BFH hat das FG-Urteil aufgrund der eingelegten Revision mit Urteil v. 17.5.2017 (Az.: VI R 34/15) aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 3; Embryonenschutzgesetz § 1 Abs. 1 Nrn. 3, 5
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger Aufwendungen in Höhe von 17.261.62 EUR, die ihm aufgrund von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung seiner damals noch nicht mit ihm verheirateten Ehefrau entstanden sind, als außergewöhnliche Belastungen geltend machen kann. Die Behandlung wurde durch eine Klinik in X (Österreich) vorgenommen.
Der Kläger leidet unter einer sog. Subfertilität, die aus einer Spermienanomalie herrührt. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2010 (Bl. 1 ff Rechtsbehelfsakte) machte der Kläger außergewöhnliche Belastungen aufgrund von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung seiner jetzigen Ehefrau geltend. Wegen der Beträge im Einzelnen wird auf Bl. 4 der Einkommensteuerakte verwiesen. Diese resultieren vor allem aus an die spätere Ehefrau gerichteten Rechnungen der „IVF …Prof.Y – X GmbH” sowie aus auf sie ausgestellten Apothekenrezepten. In diesem Zusammenhang waren bei der im Jahr 1970 geborenen späteren Ehefrau des Klägers im Wege der sog. intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) mehrere Versuche unternommen worden, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Laut Kulturprotokoll vom 18. Juni 2010 (Bl. 40 Klageakte) wurden auf diese Weise vier Eizellen befruchtet. Laut Kulturprotokoll vom 16. Oktober 2010 (Bl. 43 Klageakte) fand dieses Verfahren bei sieben Eizellen statt. Nach Durchführung der sog. Blastozystenkultur (extrakorporale Kultur während der ersten vier bis sechs Tage nach Vornahme der ICSI) wurden die jeweils verbliebenen zwei Embryonen der Ehefrau des Klägers eingesetzt.
Im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 22. Juli 2011 (Bl. 23 f Rechtsbehelfsakte) lehnte der Beklagte die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen ab. Dazu heißt es in den Erläuterungen zur Festsetzung:
Kosten Kinderwunsch: Die beantragten Aufwendungen wurden ohne nähere Prüfung nicht berücksichtigt, weil zunächst vorrangige Möglichkeiten auszuschöpfen sind (z.B. Krankenkasse, Steuererklärung der jetzigen Ehefrau).
Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 2011, eingegangen am 28. Juli 2011 beim Beklagten, Einspruch ein. Er verwies darauf, dass eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse abgelehnt worden sei, dass man dies aber erneut bei der Krankenkasse beantragen und die Entscheidung dem Beklagten zukommen lassen werde. Er erklärte weiterhin, dass die Behandlungskosten vollständig von ihm getragen worden seien, so dass sie in seiner Steuererklärung, nicht in der seiner Ehefrau, angegeben worden seien.
Mit Schreiben vom 27. November 2012 (Bl. 51 Rechtsbehelfsakte) teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass gemäß Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10. Mai 2007 III R 47/05 Kosten für eine In-vitro-Fertilisation außergewöhnliche Belastungen sein könnten, wenn die Maßnahmen in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen worden seien. Zur weiteren Bearbeitung des Einspruchs werde daher eine Bescheinigung der „IVF …Prof.Y – X GmbH” (im Folgenden: IVF-Zentrum) oder der Krankenkasse benötigt, dass die durchgeführten Maßnahmen mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen nach deutschem Recht übereinstimmten. Dies beziehe sich insbesondere auf das deutsche Embryonenschutzgeset...