Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungszinsen sind keine außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Vom Finanzamt geleistete Erstattungszinsen unterliegen der Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da auch eine erzwungene Kapitalüberlassung zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen kann.
2. Erstattungszinsen stellen keine außerordentlichen Einkünfte i. S. v. § 34 Abs. 1 und 2 EStG dar, da sie Entgelt für vorenthaltenes Kapital und keine Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 EStG für entgangene Zinsen sind, die mit dem vorenthaltenen Kapital hätten erzielt werden können.
3. Erstattungszinsen sind keine Nutzungsvergütungen i. S. des § 24 Nr. 3 EStG.
4. Die Besteuerung von Erstattungszinsen ist verfassungsgemäß.
Normenkette
AO § 233a; EStG § 34 Abs. 1-2, § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 24 Nrn. 1, 3; GG Art. 3
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die ermäßigte Besteuerung des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – auf die im Streitjahr 2006 zugeflossenen Erstattungszinsen gemäß § 233a AO Anwendung findet.
Die Kläger sind seit dem Jahr 1963 verheiratet. Der Ehemann ist Rentner, die Ehefrau Rentnerin. Für das Streitjahr wurden sie, gemäß der am 23. August 2007 abgegebenen Einkommensteuererklärung, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Klägerin entrichtete am 9. Juli 1997 gemäß dem Einkommensteuerbescheid 1995 vom 5. Mai 1997 eine Einkommensteuernachzahlung in Höhe von 725.144,49 DM. Der für die Nachzahlung benötigte Betrag war als Sparguthaben bei der Kreissparkasse X angelegt. Die Nachzahlung entfiel auf den Ansatz eines Veräußerungsgewinns gemäß § 16 EStG. Die Klägerin war Kommanditistin der Firma C KG. Im Jahr 1995 wurde die Kommanditbeteiligung für einen Kaufpreis von rund 3,47 Mio. DM veräußert. Der Veräußerungszeitpunkt war der 31. Dezember 1995. Im Streitjahr stellt sich heraus, dass der Veräußerungsgewinn endgültig ausgefallen ist. Der Beklagte änderte daher auf Grund des geänderten Grundlagenbescheids vom 9. Mai 2006 durch das Finanzamt Y den Einkommensteuerbescheid 1995 mit Ansatz eines Veräußerungsgewinns von 0 Euro und unter Festsetzung von Erstattungszinsen.
Der erstmalige Einkommensteuerbescheid 2006, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, erging mit Datum vom 8. November 2007. Die Einkommensteuer wurde mit dem Betrag von 38.400,00 EUR, die evangelische Kirchensteuer mit 3.076,00 EUR und der Solidaritätszuschlag mit 2.112,00 EUR festgesetzt. Bei der Steuerfestsetzung wurden bei den Einnahmen aus Kapitalvermögen der Ehefrau Erstattungszinsen gem. § 233a der Abgabenordnung – AO – in Höhe von 118.101 EUR berücksichtigt. Diese resultierten aus einer Einkommensteuererstattung für das Jahr 1995 und entfallen auf einen Zeitraum von 109 Monaten.
Gegen diesen Bescheid haben die Kläger, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, mit Schreiben vom 21. November 2007, eingegangen beim Beklagten am 26. November 2007, form- und fristgerecht Einspruch erhoben.
Dieser richtete sich u.a. gegen die Besteuerung von Erstattungszinsen für einen Zeitraum von 109 Monaten als laufende Einkünfte. Sofern im zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten seien, sei nach Ansicht der Klägervertreter gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG, die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach den Sätzen 2 bis 4 dieser Vorschrift zu berechnen, so genannte Fünftelregelung. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehörten nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auch die Zinsen, die vom Finanzamt für Steuererstattungen gezahlt werden. Im Streitjahr seien der Klägerin Zinsen in Höhe von 119.172,00 EUR für einen Zeitraum von 109 Monaten zusammengeballt ausgezahlt worden. Die Zinszahlung sei auf eine Einkommensteuererstattung für den Veranlagungszeitraum 1995 zurückzuführen. Die Zinsen nach § 233 a AO würden nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift als Entschädigung für einen etwaigen Zinsnachteil gezahlt und seien somit als Ersatz für entgangene Einnahmen anzusehen. Das zu versteuernde Einkommen der Kläger habe in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen den Tabelleneingangsbetrag nicht überschritten. Im Streitjahr sei durch die zusammengeballte Auszahlung der Zinsen ein erheblicher Progressionsnachteil entstanden, der über die Vorschrift der so genannten Fünftelregelung abgefedert werden solle. Die Zinsen seien als Entschädigung nach § 24 EStG somit begünstigt zu besteuern.
Mit Schreiben vom 28. November 2007 teilte der Beklagte dem Steuerberater mit, dass der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 29. September 1981 VIII R 39/79, Bundessteuerblatt – BStBI – II 1982, 113 hinsichtlich Verzugszinsen entschieden habe, dass steuerrechtlich in Zinsform zu leistender Schadenersatz als Zinsent...