rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstand des Verfahrens. Umsatzsteuerjahreserklärung während laufender Einspruchsverfahren gegen Vorauszahlungsbescheide. Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs. Anschrift des leistenden Unternehmers in Eingangsrechnungen. Nachweis- und Sorgfaltspflichten des Leistungsempfängers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Umsatzsteuerfestsetzung, die aufgrund einer die streitige Rechtsauffassung des Finanzamts nachvollziehenden Umsatzsteuerjahreserklärung erfolgt, wird zum Gegenstand des Verfahrens betreffend die Einsprüche gegen aufgrund der Feststellungen im Rahmen einer Außenprüfung, mit denen der Unternehmer nicht einverstanden war, geänderte Vorauszahlungsbescheide.

2. Derjenige, der den Vorsteuerabzug geltend macht, muss nachweisen, dass die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen zählt auch die tatsächliche Bewirkung von Leistungen. Der als Rechnungsaussteller erscheinende Unternehmer muss identisch mit dem leistenden Unternehmer sein.

3. Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung setzt nicht voraus, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt wird, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Vielmehr ist jede Art von Anschrift ausreichend, aber auch erforderlich, einschließlich einer Briefkastenanschrift, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.

4. Im zeitlichen Umfeld von Handelsregistereintragungen geht von den im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschriften eine gewisse Indizwirkung dafür aus, dass die eingetragene Gesellschaft unter dieser Anschrift postalisch erreichbar ist.

5. Höchstrichterlich ungeklärt ist, welcher Verschuldensmaßstab für die Frage zugrunde zu legen ist, ob ein Unternehmer hätte wissen können, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, ferner, welche Sorgfaltspflichten einen Unternehmer treffen, wenn er erstmalig mit neu am Markt auftretenden Unternehmern Leistungsbeziehungen aufnimmt, und welche Folgen ein „Abtauchen” eines Leistenden während einer laufenden Geschäftsbeziehung für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers hat.

 

Normenkette

FGO §§ 68, 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1

 

Tenor

Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2018 vom 12.11.2020 wird mit Wirkung vom Fälligkeitstag bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung über den Einspruch vom 24.11.2021 ausgesetzt.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 14 % der Antragstellerin und zu 86 % dem Antragsgegner auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darum, ob der Antrag betreffend das Streitjahr 2019 zulässig ist und in der Sache, ob der Antragstellerin ein weiterer Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Palettenlieferungen zusteht.

Gegenstand der Antragstellerin, einer im Jahre 2017 gegründeten GmbH, war und ist der Handel von Leergut und Transport. Sie war zunächst in B… ansässig und verlegte im Jahre 2020 ihren Sitz in die Gemeinde C…. Der Schwerpunkt der Tätigkeit bestand und besteht im Handel mit Holzpaletten, die sie von einer großen Zahl an Lieferanten bezog und bezieht. Daneben handelte die Antragstellerin u.a. auch mit Gitterboxen.

Insoweit liegen aus 2018 unter der Bezeichnung „Transporthilfen D…” Rechnungen eines E… (Bl. 49 ff. Gerichtsakte –GA–; Vorsteuer gesamt: 2.217,07 EUR) sowie aus 2018 und 2019 einer F…GmbH & Co. KG in G… (Bl. 58 ff. GA; Vorsteuer: 62.855,57 EUR aus 2018 und 10.217,27 EUR aus 2019) vor. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf die bei den Akten befindlichen Kopien und Aufstellungen Bezug.

Am 01.04.2018 meldete E… unter der Rechnungsanschrift ein Gewerbe mit dem Gegenstand „Transporthilfen; Kauf und Verkauf von Holzteilen” bei der Gemeindeverwaltung D… an. Er wurde ausweislich einer Mitteilung des Finanzamts H… vom 01.06.2018 unter der Rechnungsanschrift mit einer Steuer-Nr. …, die auch auf den Rechnungen ausgewiesen wurde, u.a. zur Umsatzsteuer geführt. Die Gewerbeanmeldung und die Mitteilung vom 01.06.2018 lagen der Antragstellerin im Zuge der Lieferbeziehung zu E… vor.

Die F… GmbH & Co. KG, eine ursprünglich mit anderer Firma gegründete Vorratsgesellschaft, wurde am 20.03.2018 unter der o.g. Firma beim Handelsregister des Amtsgerichts G… mit der Geschäftsanschrift I…-Straße in G… und dem Kommanditisten J… eingetragen. Als Komplementärin wurde die K… GmbH eingetragen. Letztere firmierte aufgrund von Beschlüssen vom 19.02.2018 und 14.03.2018 um in F… GmbH & Co. KG, was am 23.04.2018 beim Handelsregister des Amtsgerichts G… mit der Geschäftsanschrift I…-Straße in G… eingetragen wurde. Nach einem Abschlussvermerk des Finanzamts G… vom 19.12.2019 hatte die F… GmbH & Co. KG unter dieser Anschrift einen 20 m² großen Gewerberaum angemietet, war aber dort im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau am 08.01.2019 nicht zu ermitteln. Zum gleich...

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